Das Werk schlägt die Schwanz-Rock-Konkurrenz um Längen.
Auf die Frage, wie es bei den damals gerade zum zweiten Mal wiedervereinigten Ratt denn um ein neues Studio-Album stehe, antwortete Schlagzeuger Bobby Blotzer dem CLASSIC ROCK im September 2007 unumwunden: „Ich will das mal ganz realistisch sehen – die Welt wartet nicht auf ein neues Ratt-Album.“ Zeiten ändern sich, Meinungen auch. Und wenn man sich INFESTATION so anhört, ist man fast geneigt zu sagen: Der Blotz und die Welt hatten wohl eher unrecht.
Allen Befürchtungen zum Trotz, dass das jüngste Ratt-Werk ein ähnlich dröger und blutleerer Blues-Ausflug wie das Band-betitelte 1999er Album werden würde, rocken Ratt auf INFESTATION nämlich wie nach elf Bahnen im geheimen Jungbrunnen des legendären Andaz West Hollywood Hotels auf dem Sunset Strip. Schon der Eröffnungstrack ›Eat Me Up Alive‹ kontert mit allem, was Ratt Anfang der Achtziger an die Spitze des aufkeimenden Glam Metals katapultierte. Simple, aber effektiv ratternde Riffs, Stephen Pearcys kehliger Kratzbürsten-Gesang und das richtige Hook-Händchen.
Doch die wahre Geheimwaffe offenbart sich im drallen Doppel-Solo des Songs. Denn im ehemaligen Quiet Riot-Axt-Mann Carlos Cavazo an der zweiten Axt hat Saiten-Flitzer Warren DeMartini endlich wieder den ergänzenden Gitarren-Gegenpart gefunden, den er und Ratt seit dem AIDS-Tod von Robbin Crosby im Jahre 2002 so vermissen ließen.
Der gut gewählte Singlekandidat ›Best Of Me‹ ist anschließend genauso klassisch Ratt, wie er eine Van Halen-Verbeugung vor ›Jump‹ ist. Verlockend eingängiger Hit-Stoff – ein Platz in den oberen Rängen sämtlicher US-Rocksender-Playlisten dürfte Ratt somit locker sicher sein. Aber auch ›A Little Too Much‹ atmet diesen süßlichen Haarspray-Duft, während ›Last Call‹ das Zeug hat zur neuen Party-Hymne für durchzechte Junggesellen-Nächte auf Strip Club-Streifzug. ›Girls, Girls, Girls‹ revisited, sozusagen.
Wirkliche Ausfälle gibt es neben ›Lost Weekend‹ nicht zu verzeichnen. Selbst die unvermeidliche Halb-Ballade ›Take Me Home‹ kommt ohne peinliche Über-Schmalzung daher. Und wenn’s zum schönen Schluss dann ›Don’t Let Go‹ heißt, möchte man dem eigentlich nur Folge leisten und diesem Album sofort eine zweite Runde gönnen.