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Titelstory: Led Zeppelin – Alle guten Dinge sind II

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Titelstory: Led Zeppelin – Alle guten Dinge sind II

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Die vierte US-Tour hatte ebenfalls im Oktober begonnen, diesmal mit zwei überragenden Shows in der New Yorker Carnegie Hall – die ersten Rockkonzerte dort, seitdem die Halle fünf Jahre zuvor nach einem skandalträchtigen Auftritt die Rolling Stones von dort verbannt hatte. Ganz offensichtlich war eine neue Weltordnung angebrochen und mit ihr ein ganz neues Kapitel für die vier Mitglieder von Led Zeppelin.

„Unser ganzes Leben veränderte sich, vor allem für mich und Bonzo“, sagte Plant. „Und das passierte so plötzlich, dass wir nicht wirklich wussten, wie wir damit umgehen sollten. Bonzo lebte noch in einer Sozialwohnung in Dudley, doch unten auf der Straße parkte sein Rolls-Royce. Eines Tages zerkratzte ihn jemand mit einem Schlüssel und er konnte nicht verstehen, warum.“
Chris Welch, der die Konzertkritik im „Melody Maker“ verfasste, erinnert sich daran, dass „jeder Musiker, der gerade in der Stadt war, bei der Show vom Bühenrand zusah. Ich erinnere mich auch an das Publikum. Es war das erste Mal, dass ich ein Publikum in New York erlebt hatte, und ich konnte nicht glauben, wie wild und laut die Leute waren. In der Sekunde, in der die Band auf die Bühne kam, drehten alle komplett durch.“

Eine richtige Party gab es danach nicht, „nur reichlich Alkohol im Hotel“. Allerdings schickte ihm jemand – wahrscheinlich Jimmy, denn „er war der Einzige, den ich da eingentlich überhaupt kannte“ – in den frühen Morgenstunden ein paar Prostituierte mit Peitschen aufs Hotelzimmer. „Am nächsten Morgen beim Frühstück wurde viel gekichert, als sie auf meine Reaktion warteten. Aber ich schickte sie einfach fort. Tatsächlich war ich ziemlich schockiert.“

Die Kritiken zu LED ZEPPELIN II waren ebenfalls überwiegend positiv. In Großbritannien lobte „Time Out“ das Album dafür, „viel ausgelassener als das erste der Gruppe“ zu sein, und fügte hinzu, es sei „den Kauf allein für Plants gequälte Stimme und Pages Gitarre wert, die bisweilen so verstörend klingt wie Autoreifen, die auf einen Unfall zuquietschen“. „Disc & Music Echo“ hielt fest: „Es ist schwer, die Aufregung eines Live-Konzerts auf Platte einzufangen, doch LED ZEPPELIN II kommt dem sehr nahe“. Sogar der „Rolling Stone“, der das Debüt noch verrissen hatte, war – zumindest oberflächlich – gewogen und nannte es „ein fucking Schwergewicht von einem Album!“ Bald wurde jedoch offensichtlich, dass der Autor John Mendelssohn (mal wieder) Schwierigkeiten gehabt hatte, ernst zu bleiben. Bissig fügte er hinzu, er habe sich die Platte „auf potentem vietnamesischem Gras, Meskalin, ein paar alten Romilar, Novocain und zerstoßenem Fusion“ angehört, „und es war genauso umwerfend wie davor“.

Doch die Botschaft blieb letztlich dieselbe: Zwei Jahre, nachdem die Beatles selig davon gesungen hatten, nichts außer die Liebe zu brauchen, kamen die rüpelhaften Led Zeppelin an, die damit drohten, jeden Zentimeter ihrer Liebe jedem zu verpassen, der nahe genug dafür heran kam. Der Kontrast hätte krasser nicht sein können. Die Beatles sprachen von irgendwo da oben in einem wolkenlosen Himmel zu uns, doch Led Zeppelin waren jene Stimmen, die sich in einem undurchsichtigen Nebel unter uns wanden – die schwarzen Schachfiguren zu den weißen der Fab Four.
Die Fans der Band blieben zum Glück immun gegen so plakative Charakterisierungen. Die so elementare Musik im Kern des Ganzen entzog sich schlichtweg jeglicher Analyse und war gegen jedwede Kritik so grandios gefeit wie der Donnerhall in einer stürmischen Nacht.

Fans nennen die Platte aufgrund ihres sepiafarbenen Covers – im Wesentlichen das Artwork des Debüts mit Filter – liebevoll „Brown Bomber“, was perfekt zum ruhelosen Aufnahmeprozess passte. Der britische Designer David Juniper hatte nur wenige Tage Zeit, um einen ersten Entwurf vorzulegen. Ohne irgendwelche Anhaltspunkte und lediglich mit der Anweisung, sich etwas „Interessantes“ einfallen zu lassen, kam ihm die Idee, ein Foto von der Jasta-Division der Luftwaffe aus jener Zeit zu verfremden – jener Division also, die im Ersten Weltkrieg die Zeppeline losgeschickt hatte, um Großbritannien zu bombardieren. Er färbte das Bild von Hand ein, schnitt grob die Gesichter der Bandmitglieder aus dem Promotion-Material aus und klebte sie über die Antlitze der Jasta-Piloten.
Page schlug vor, dass Juniper auch Grant, Cole und Blind Willie Johnson über vier anderen Piloten kleben sollte, ebenso wie die blonde Schauspielerin Glynis Johns, die im Film „Mary Poppins“ die Mutter der Kinder gespielt hatte. Man geht davon aus, dass dies ein Seitenhieb von Page auf den Tontechniker Glyn Johns war, der nicht an dem Album mitgewirkt hatte, stattdessen aber dessen jüngerer Bruder Andy. Andere spekulierten, dass es vielleicht etwas damit zu tun haben könnte, dass P. L. Travers’ „Mary Poppins“-Bücher Fantasy und magische Ereignisse in der Realität verbanden, etwa Objekte, die zum Leben erwachten. Doch keine der Theorien scheint wahrscheinlich. Mysteriös ist jedoch, dass auf Nahaufnahmen des Covers, die Juniper lieferte und die jede Figur benennen, die Köpfe überhaupt nicht so aussehen wie die Menschen, die sie darstellen sollen (auf jeden Fall bei Cole oder Grant), während der Designer das Gesicht von Blind Willie Johnson als das von Jazztrompeter Miles Davis identifiziert, was wiederum nicht im Geringsten nach ihm aussieht.

Als sollte das wachsende Selbstwertgefühl der Band noch unterstrichen werden, zeigte das gesamte Innere der Gatefold-Hülle – „komplett meine Idee“, sagt Juniper heute – ein von Spotlights beleuchtetes goldenes Luftschiff, das über einem antiken, Akropolis-artigen Bauwerk schwebt. Darunter wiederum befinden sich vier sargartige Säulen mit je einem Namen der Bandmitglieder. Die tiefere Bedeutung wurde nie geklärt, aber die Himmelfahrtsaspekte sind offensichtlich – der Gedanke, dass eine Verbindung von Wissenschaft und Religion der nächste Evolutionsschritt jenseits des „natürlichen“ Menschseins zur Unsterblichkeit und darüber hinaus sei. Siehe auch die Pyramide mit der Sonne, ähnlich dem Freimaurersiegel auf dem US-Dollar-Schein. Die größten Fans des Albums hätten das vielleicht gar nicht alles wahrgenommen und sahen die Innenseite wohl hauptsächlich als tragbares Tablett, auf dem man Joints drehen konnte. Der Rest waren einfach nur hübsche Muster, Mann …

Als eine gekürzte Fassung von ›Whole Lotta Love‹ im Januar 1970 Platz 4 der US-Single-Charts erreichte und letztlich über 900.000 Käufer fand, war das Schicksal der Band über die kommende Dekade besiegelt. Neben Led Zeppelin wirkten selbst die Beatles und die Stones plötzlich altbacken.

Was aber nichts daran änderte, dass Page dagegen war, den Track um eine Minute seines bislang größten Triumphs als Produzent gekürzt zu veröffentlichen: den psychedelischen Mittelteil. Doch er akzeptierte widerwillig die Logik von Atlantic Records, als einige Radiosender begannen, den Song selbst zu kürzen, um ihn in das Drei-Minuten-Format zu pressen.

Mit dem Resultat, dass ähnliche Schnittfassungen als Single Platz 1 in Deutschland und Belgien erreichten. Doch als Atlantic beschloss, in Großbritannien mit der offiziellen Single, veröffentlicht am 5. Dezember, ähnlich vorzugehen, bestand Jimmy darauf, dass Grant sein Veto einlege. Sehr zum Missfallen von Atlantics erst kurz zuvor ernanntem Londoner Boss, Phil Carson.
„Ich ging zu Peter Grant“, erinnert sich Carson, „und sagte: ‚Nun, ich bin hier das Marketinggenie, weißt du, und ich sage dir, wenn du Alben verkaufen willst, brauchst du eine Single‘. Letztendlich überzeugte er mich davon, sie doch nicht zu veröffentlichen – auf seine eigene, subtile Art.“ Grant war, fügt er hinzu, „sehr beharrlich“.

Wie sich herausstellte, erwies sich Pages Entscheidung als richtig. Das Medienecho als Reaktion darauf, keine Single auszukoppeln, trug dazu bei, dass sich LED ZEPPELIN II so gut verkaufte, wie das damals nur eine Single konnte. Bis ins Weihnachtsgeschäft hinein gingen täglich Nachbestellungen von 3-5.000 Stück ein. Danach, so Carson, „konnte ich Peter Grant nie wieder etwas abschlagen“.
Wie schon in den USA waren es auch in Großbritannien die übernatürlichen Live-Performances, die das Publikum von der Band überzeugten – nicht zuletzt ein überragender Auftritt in der Londoner Royal Albert Hall am 9. Januar 1970, Pages 26. Geburtstag.

Grant hatte organisiert, dass die Regisseure Peter Whitehead und Stanley Dorfman das Konzert wie eine Dokumentation filmen sollten, und ihre Crew folgte der Band mit ihrem Equipment bis auf die Bühne. Die noch existierenden Aufnahmen entstanden aus nächster Nähe und belegen eindrucksvoll, wie mächtig und perfekt das Zeppelin-Live-Erlebnis schon war. In den vorangegangenen zwölf Monaten hatten sie 140 Auftritte absolviert, die überwiegende Mehrheit davon in den USA, und das sieht man hier, von der eröffnenden Salve aus Bonhams vulkanischen Trommeln auf ›We’re Gonna Groove‹ über Plants unbegreifliche Vokalpyrotechnik, begleitet von seinen wehenden Haaren und Händen, die auf unsichtbare Drums oder Gitarren einschlagen, bis hin zu dem dicken, aber überraschend flinken Bass, mit dem Jones mühelos den Rhythmus verankert.

Doch natürlich ist es Page, von dem man den Blick nicht abwenden kann, leger gekleidet in seinem ärmellosen Harlekinpullunder und engen Jeans mit geradem Bein. Mit der Gitarre auf Kniehöhe hüpft er über die Bühne, voll von einer wilden Intensität, die nur von den fast schüchternen Blicken konterkariert wird, die gelegentlich hinter dem Vorhang seines dunklen Haars zu erspähen sind.
„Heute sehe ich mir die Aufnahmen aus der Albert Hall an“, sagte Plant, „und das Erste, was mir auffällt, ist wie jung wir alle waren. Ich sehe wie das aus, was ich damals war: ein Hippie aus dem Black Country, voller hehrer Ideale und mit sparsamem Lebenswandel. Live zu spielen war das wahre Juwel unserer Existenz, und jeder hatte die Fähigkeit, es zu nehmen und zu bewegen, bis es ganz neue Bedeutungen annahm. Am richtigen Abend war eine Led-Zeppelin-Show ein spektakuläres Erlebnis.“

Im April ging es für die fünfte Tournee in die USA. Bei einer Show in Memphis war der Hallenmanager Bubba Bland so beunruhigt über die extremen Reaktionen des Publikums, dass er panisch wurde und von Grant verlangte, den Auftritt abzubrechen. Als Grant ihm nur ins Gesicht lachte, zog Bland eine Waffe. „Wenn du die Show nicht abbrichst“, brüllte er, „werde ich dich erschießen!“
Mitten in ›Whole Lotta Love‹ hörte Plant auf und sagte dem Publikum: „Bitte, setzt euch alle hin, die Show kann nicht fortgesetzt werden. Sie haben uns hier hinten tatsächlich bedroht, ich brauche eure Hilfe.“ Die Menge beruhigte sich, innerhalb kürzester Zeit ging es mit ›Whole Lotta Love‹ weiter – und die Leute drehten wieder durch.

Als die Band später die Halle verließ, kam es zu einer Verfolgungsjagd mit mehreren Fans. Zeppelin-Tontechniker Terry Manning, der auch im Wagen saß, erinnert sich: „Es ging durch die Straßen von Memphis und alle schrien: ‚Ich weiß, dass ihr da drin seid!‘ Jimmy bekam es mit der Angst zu tun. Und während das passierte, lief ›Heartbreaker‹ in Stereo auf der Anlage. Das war ein bizarre Szene aus der Hölle“. Doch eine, in der es bald Richtung „Heaven“ gehen sollte …

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