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Titelstory: Led Zeppelin – Alle guten Dinge sind II

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Titelstory: Led Zeppelin – Alle guten Dinge sind II

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LED ZEPPELIN II (Page hatte sich schon für diesen Titel entschieden) entstand aus Ideen, die ihren Anfang in Hotelzimmern genommen hatten, bei Soundchecks und Proben verfeinert und dann in den kreativen Hochofen der Live-Improvisationen geworfen worden waren. Es sollte zum Inbegriff des Albums für nächtliche Autofahrten der 70er werden, das die schiere Spielfreude der Band zu jener Zeit in Grooves einfing, die 50 Jahre später immer noch knistern vor Energie. Der Klang, obwohl das Album an so vielen verschiedenen Orten produziert worden war, entwickelte zudem eine beeindruckende Dreidimensionalität, wie sie nie zuvor auf Platte zu hören gewesen war – was umso bemerkenswerter ist, wenn man bedenkt, wie fragmentiert der Entstehungsprozess gewesen war.

Eddie Kramer, der amerikanische Tontechniker der Sessions, der im Jahr zuvor mit Hendrix an ELECTRIC LADYLAND gearbeitet hatte, erinnert sich daran, in jedem Studio, das sich nur finden ließ, Aufnahmezeit zu „erschnorren“. Einige von Jimmys Gitarrensoli wurden auf Fluren aufgenommen, sagt er. Das Endergebnis wurde in nur zwei Tagen in den A&R Studios in New York abgemischt, und zwar „auf der primitivsten Konsole, die man sich vorstellen kann. Sie waren die ganze Zeit unterwegs – manche Sachen wurden in London gemacht, manche auf Tour. Sie hatten diese riesige Kiste voller Bänder“, erinnert sich Kramer. „Ich erhielt einen Anruf aus ihrem Büro in New York: Die Jungs sind in der Stadt und wollen wissen, ob du dabei helfen willst, diese Platte zusammenzustellen.“
„Das Ziel war Synästhesie“, sagte Page. „Bilder mit Klang zu erschaffen.“ Das arbeitsamste Jahr ihres Lebens war erst zur Hälfte vorbei und der Flug des Zeppelins hatte gerade erst begonnen.
Am 13. Juli sorgten sie in New York mit einem Auftritt beim Schaefer Music Festival in der Singer Bowl in Flushing Meadow erneut für Schlagzeilen. „Cashbox“ druckte eine begeisterte Kritik ab, die Plant als „herausragenden Kandidaten für den Superstarstatus“ beschrieb. Doch am meisten erinnerten sich die 25.000 Zuschauer an die Zugabe mit einem neunköpfigen Mammut-Jam zwischen den Mitgliedern von Zeppelin, der Jeff Beck Group, Ten Years After und Jethro Tull.

Mitten in einer ausgedehnten Darbietung von ›Jailhouse Rock‹ übernahm Bonzo plötzlich das Schlagzeug und wechselte zum Beat von ›The Stripper‹, bevor er begann, sich die Kleider vom Leib zu reißen. Laut Ten-Years-After-Drummer Ric Lee „zog Bonham, der getrunken hatte, sich die Hose und Unterhose aus. Die Polizei sah das, und ich sah, dass Richard Cole und Peter Grant die Polizei erspäht hatten. Der Song endete, Peter und Richard rannten auf die Bühne und schnappten sich je einen von Bonzos Armen, dann sah man seinen nackten Arsch verschwinden, als sie ihn davontrugen. Aber sie hatten ihm die Hose wieder angezogen, bevor die Polizei ankam.“

Diese Späße beschränkten sich natürlich nicht nur auf die Bühne. Bill Harry, gerade frisch zum PR-Mann der Band in London ernannt, stieß für mehrere Termine der US-Tournee zu ihnen. Er erinnerte sich daran, wie er eines Abends nach einem Konzert mit dem ewigen Doppelpack Bonzo und „Ricardo“ Cole abhing. Nachdem sie den Rest der Gäste verschreckt hatten, indem sie auf den Tischen getanzt hatten, „ging Richard zum Kühlschrank, nahm sämtliche Bierdosen und packte sie in einen Sack. ‚Lasst uns auf Bonzos Zimmer gehen.‘ Er schleppte diesen Sack wie der Weihnachtsmann. Dann hielten wir an und blickten hinaus auf den Parkplatz. Da sahen wir einen nackten Arsch, der sich auf und ab bewegte, das war einer von der Band mit einem Mädchen in einem Auto. Wir gingen hoch aufs Zimmer und ein Detektiv folgte uns, weil wir ein paar Mädchen bei uns hatten. Richard steckte ihm ein paar Dollar zu und er verschwand. Also gingen wir ins das Zimmer, einer der Jungs wollte etwas zu einem der Mädchen sagen, aber stattdessen kotzte er sie voll.“

LED ZEPPELIN II erschien im Oktober 1969, man könnte also sagen, dass der 70er-Rock drei Monate zu früh angekommen war. Mit Vorbestellungen von über einer halben Million Exemplaren in den USA wurde es dort zum meistverkauften Album des Jahres, stieß ABBEY ROAD von den Beatles von Platz 1 und hielt LET IT BLEED von den Rolling Stones davon ab, die Spitze zu erklimmen.

Na ja, fast. Auf jener dritten US-Tournee 1969 ereignete sich nach dem Auftritt beim Seattle Pop Festival im Juli das, was später als der „Schnapperfisch-Vorfall“ berüchtigt werden sollte. Involviert waren ein Groupie und ein Schnapperfisch, und die Geschichte, über die Jahre immer wieder nacherzählt, war laut Vanilla-Fudge-Schlagzeuger Carmine Appice „einfach nur Spaß. Das Mädchen war mein Groupie. Ich fand sie, wir hatten einen freien Tag und sie wollte unbedingt mit uns gefilmt werden.“

Oder wie Plant später sagte: „Was die Leute immer vergessen, wenn sie sich über solche Sachen empören, ist, wie viel Spaß wir hatten. Sie tendieren dazu, die Band als diese finstere Macht zu sehen, die damals ihre Flügel ausbreitete, dabei waren wir nur ein paar junge Typen, die eine tolle Zeit hatten. Das, woran ich mich aus diesen Tagen am meisten erinnere, ist das Lachen.“
Einen Festivalauftritt in jenem Sommer lehnten sie jedoch ab: Woodstock, offiziell „An Aquarian Exposition: 3 Days Of Peace & Music“, jenes legendäre Ereignis vor 500.000 Menschen auf Max Yasgurs Milchfarm in der Nähe von Bethel im Bundesstaat New York (und tatsächlich fast 70 km von Woodstock entfernt). Es begann am Morgen des 15. August, einem Freitag, und endete in den Morgenstunden des folgenden Montags, dem 18. August. Ursprünglich war bekanntgegeben worden, dass Led Zeppelin am Abend des 16. August auftreten würden, ebenso wie die Jeff Beck Group. Doch letztendlich ließen sich weder Erstere noch Letztere blicken.

Warum Grant eigenmächtig entschied, dass Zeppelin absagen sollten, wurde nie richtig geklärt, und die überlebenden Mitglieder bleiben sehr vage bei diesem Thema, um es diplomatisch zu formulieren. Aber sie waren nun mal nicht an dieser Entscheidung beteiligt. Mit größter Wahrscheinlichkeit war es um Geld gegangen. Peter Grant hielt absolut nichts davon, umsonst aufzutreten. Und der Gedanke, dass irgend­jemand außer der Band von einem Film und Live-Mitschnitt profitieren würde, hätte ihm sicher ebensowenig zugesagt. Er wollte Zusicherungen, dass Zeppelin an den Einnahmen beteiligt würden – und bekam keine. Es scheint also, als hätte Grant schlichtweg eine professionelle Entscheidung getroffen und beschlossen, leichter verfügbare Gewinnquellen anzuzapfen: zwei sehr gut bezahlte Auftritte auf der anderen Seite der Grenze, in Kanada, am selben Wochenende.

„In Woodstock wären wir einfach nur eine von vielen Bands gewesen“, sagte Grant. „Die Kritiker hätten sie vielleicht anders wahrgenommen. Doch ihre Abwesenheit verstärkte nur noch ihr Image als Außenseiter par excellence.“

„Diese Phase war eine große Zeit für uns“, erinnerte sich Plant. „Chaotische Zeiten, als die Musik wirklich noch aus dem Ghetto kam. Wir befanden uns oft entgegen der gängigen Trends, ohne dass es uns überhaupt bewusst war. Wenn wir spielten, fühlte es sich wirklich so an, als bewohnten wir ein Paralleluniversum, abseits von allem anderen, auch der damaligen Rockwelt.“

ZEPPELIN II erschien in Großbritannien zehn Tage später als in den USA und unterstrich dieses Empfinden. Es war der Beginn von 138 Wochen ohne Unterbrechung in den britischen Albumcharts, und im Februar 1970 erreichte die Platte endlich Platz 1. Innerhalb von sechs Monaten waren weltweit fast fünf Millionen Einheiten verkauft worden.

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