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Titelstory: Free – „Wir wussten, wie gut wir waren“

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Titelstory: Free – „Wir wussten, wie gut wir waren“

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Kirke erinnert sich an wöchentliche Sessions im Haus von Andy Frasers Mutter in Roehampton: „Wir trafen uns dort jeden Montagabend und brachten Platten mit, von denen wir dachten, die anderen würden sie mö­­gen. Andy hatte eine wirklich gute Stereoanlage in seinem Zimmer. Ich kann mich sogar noch an das Modell erinnern, ein Leak-Stereo-30-Plus-Verstärker mit ein paar Wharfedale-Lautsprechern. Das war damals Hightech. Wir lagen alle vier auf dem Bett oder saßen auf dem Boden, rauchten ein bisschen Gras und hörten wirklich zu. Mein Gott, ich wünschte, ich hätte ein Foto aus jenen Tagen. Wir hörten uns The Band und Isaac Hayes an, Motown, Otis Redding. Ich glaube, einmal war sogar Mozart dabei. Wir spielten einfach alles, was wir mochten, den je­­weils anderen drei vor, und ich glaube wirklich, dass uns das zu den musikalischen Brüdern machte, zu denen wir wurden. Es blieb nicht nur bei Blues oder Rock, da waren immer auch an­­dere Elemente dabei.“

Ihr zweites, selbstbetiteltes Album, das gerade einmal fünf Monate später erschien, war im selben Stil entstanden: Aufnahmesessions, die zwischen Auftritte eingeschoben wurden. Doch während der Ruf von Free als Live-Act beständig wuchs – „Wir arbeiteten die ganze Zeit“, so Kirke –, war keine der beiden Platten sonderlich erfolgreich. Zu jener Zeit aber begann die Songwriting-Partnerschaft, die sie zu einer der großartigen Bands ihrer Ära werden ließ, aufzublühen – nämlich die zwischen dem 21-jährigen Rodgers und dem 17-jährigen Fraser.

Passend zu ihrem selbst gepflegten Image als chaotische Nichtsnutze, fanden er und Fraser erst die Zeit, sich als Songwriter zu entwickeln, als der Sänger sich „bei einer Nutte, mit der ich an der Portobello Road zu­­sammenwohnte,“ einen Tripper holte und während seiner Behandlung mehrere Woche ruhen musste. Eines der ersten Stücke, die sie schrieben, war ›Fire And Water‹. Während sie sich bislang strikt an den klassischen Blues-Kanon gehalten hatten, entdeckten sie nun etwas Originelleres, wesentlich Tiefgründigeres – etwas Unsterbliches. „Wir hatten als Menschen sicherlich nicht viel gemeinsam, aber als Songwriter verstanden wir uns wirklich bestens“, erzählte mir Fraser.

Auch als es an die Arbeit zu ihrem dritten Album ging, verfuhren sie nach demselben Prinzip, bei jeder Gelegenheit zwischen Gigs aufzunehmen, ob in den neuen „Trident Studios“ in Soho – wo George Harrison Teile seines ersten Post-Beatles-Werks ALL THINGS MUST PASS einspielte – oder den „Basing Street Studios“ des Labels Island Records in Notting Hill Gate, wo Led Zeppelin darauf warteten, ihre dritte Platte in Angrif zu nehmen. Doch diesmal waren Free keine Anfänger mehr, die einfach das Beste hofften. Sie hatten sich als Live-Act in jedem Club und jeder Schulhalle der Nation ihre Sporen verdient. Und jetzt waren sie bereit, auch im Studio die nächste Stufe zu zünden.

„Wir hatten mittlerweile gelernt, wie man die Musik zum Atmen bringt, wie man sie ihrem natürlichen Fluss folgen und ihre eigene Geschwindigkeit finden lässt“, sagte Rodgers 2006. „Wir waren selbstbewusst genug geworden, um alles organisch passieren zu lassen. Ich wusste, dass Koss nicht über meinen Gesang spielen würde, und die Band wusste, dass ich ihr genauso aufmerksam zuhörte. Wir waren alle tief in die Musik eingetaucht. Dieses Ding, das passierte, wenn wir in unseren besten Momenten zusammenkamen.“

„Andy und Paul schrieben die Songs“, so Kirke, „und Koss und ich be­­schäftigten uns anderweitig. Aber auf der Bühne waren wir eine Einheit. Ich sagte immer, dass wenn wir wirklich unser Bestes gaben und abhoben, ein fünftes Mitglied mit uns spielte. Es war auf jeden Fall bei diesen FIRE-AND- WATER-Sessions dabei. Niemand trat dem anderen auf die Füße, es fühlte sich alles so natürlich an. Wir hatten seit 1968 Hunderte von Konzerten gegeben und waren richtig tight. FIRE AND WATER markierte den Höhepunkt, den Gipfel dieser perfekt eingespielten Einheit, zu der Free geworden waren. Danach ging es bergab. Und das lag zum Teil an ›All Right Now‹.“

Für die meisten Free-Fans 1970 schien ›All Right Now‹ der Moment zu sein, an dem jenes entscheidende fünfte Mitglied eindrucksvoll in den Vordergrund trat. „Als [Island-Records-Boss] Chris Blackwell ins Studio kam und es hörte, sagte er sofort: ‚Das ist ein Hit‘“, erinnert sich Kirke. „Wir dachten alle nur: ‚Wow!‘, und er sagte: ‚Aber es ist zu fucking lang‘.“

›All Right Now‹ war vielleicht der erste wirklich postmoderne Song im Rock – diese kluge Zeile „trying to trick me in love“ kann man als Zugeständnis an den Pragmatismus in einer Welt verstehen, in der immer noch der Leitspruch „Love is all you need“ nachhallte. Doch vor allem hatte es das grandioseste, eingängigste Riff aller Zeiten. Blackwell bestand jedoch darauf, für die Single-Version die dritte Strophe raus zu schneiden und Paul Kossoffs Gitarrensolo zu kürzen. In den Augen einer immer noch idealistischen jungen Band ein Sakrileg, bis Blackwell das Stück um fast eineinhalb Minuten verkürzte und ihnen vorspielte. „Man kann immer noch hören, wo er was rausgeschnitten hat“, so Kirke, „aber wir mussten eingestehen, dass es funktionierte, um im Radio gespielt zu werden.“

Den Beweis erbrachte der erstaunliche Erfolg der Single, die in mehr als 20 Ländern Platz 1 erreichte und in den USA in die Top 5 kam. In Amerika sollte es über die nächsten zwei Jahrzehnte mehr als eine Million mal im Radio laufen, während aktuelle Schätzungen von bald drei Millionen Einsätzen ausgehen.
Rodgers erinnert sich an den Anruf, der sein Leben veränderte: „Es war etwa zehn Uhr morgens. Denise war dran, die Sekretärin bei Island. Sie sagte: ‚Du musst sofort vorbeikommen. ›All Right Now‹ ist in den Charts auf Platz 4!‘ Ich dachte nur, wie bitte? Doch der Teil, der mich wirklich denken ließ, dass wir es geschafft hatten, war der Rest des Satzes: ‚Steig sofort in ein Taxi. Und lass dir eine Quittung geben, wir zahlen es dir zurück!‘ Ich schwebte die Treppe runter – 78 Stufen, das vergesse ich nie.“

Trotz dieses riesigen Erfolgs be­­schränkten sich Free anders als die meisten Rockbands (heute noch mehr als damals) nicht auf eine „Kleinster gemeinsamer Nenner“-Blaupause. „Unsere Einstellung lautete: Wir spielen nicht euer Spiel“, erklärte Fraser. „Wir spielen UNSERES. Als wir uns Led Zeppelin anhörten und Robert Plant irgendwas daher schrie, dachten wir nur: Konnte er sich keinen Text einfallen lassen? Wir bewunderten Cream und Hendrix, wir liebten die Beatles. Aber vor allem beeinflussten uns schwarze amerikanische Künstler wie BB King und Aretha Franklin, Gladys Knight und Otis Redding. Das waren die Leute, die wir uns wirklich anhörten.“

Diesen tiefen Soul-Einfluss hört man überall auf FIRE AND WATER. Doch während das laut schlagende Herz ihrer Musik auf Highlights wie dem spacigen ›Heavy Load‹ oder dem lässig-finster blickenden ›Mr. Big‹ am spürbarsten ist, fühlt man ihren Gospel am eindringlichsten auf dem freudvoll-elegischen ›Oh I Wept‹ und dem süßen Rausch von ›Dont Say You Love Me‹. Als Wilson Pickett, dessen 1965er-Hit ›In The Midnight Hour‹ schon lange zu Rodgers Repertoire gehörte, 1971 ›Fire And Water‹ coverte und damit Platz zwei in den US-R&B-Charts er­­reichte, bestätigte es Free in dem Glauben, dass dürre weiße Jungs nicht nur den Blues singen konnten, sondern auch jede Menge Soulpower hatten.

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1 Kommentar

  1. Free war die Band die mich als damaliger Musiker ( Hobby-Gitarrist) mit am meisten beeinflusst hat.
    Paul Kossoff war neben den anderen damaligen Gitarren-Heroen der für mich bedeutendste bezüglich der Ton-Formung, des Sounds den er unnachahmlich zelebrierte.
    Für mich einer der besten Blues-Rock-Gitarristen der leider viel zu früh verstarb.
    Free ist für mich eine der besten Bands die die Blues-Rock-Ära hervorgebracht hat. Bin dankbar dafür , dass ich in diesem Zeitfenster selbst aktiv als Musiker und Fan teilhaben konnte.
    Diese Musik und ihre Interpreten begleiten mich Tag täglich bis zum Ende meiner Tage.
    Rolf-Jo-Maier

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