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Rory Gallagher: Der Blues Brother

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Rory Gallagher: Der Blues Brother

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Trotz dieses Wagemuts hätte es sehr riskant sein können. Als berühmter Musiker war Gallagher ein potenzielles Ziel, und die Tatsache, dass auch Engländer zur Crew gehörten, reduzierte dieses Risiko nicht gerade. Gerry McAvoys Familie war nach England gezogen, nachdem sein Vater fast bei einer Bombenexplosion umgekommen war. Doch Gallagher entschied sich trotzdem dafür, weiterzumachen. Die Loyalität seiner irischen Fans auf beiden Seiten der Grenze ging über religiöse und politische Differenzen hinaus, und sie wussten sein Engagement zu schätzen.

Außerdem hatte die Band mitbekommen, dass interessierte Parteien ihre Sicherheit gewähren würden. „Ich war aus Belfast, Gerry war aus Belfast und es gab eine Kooperation mit ‚der Organisation‘, um sicherzustellen, dass die Konzerte nicht gefährdet würden“, so Lou. „Man kümmerte sich sehr gut um uns“, bestätigt de’Ath. „Die Hotels, in denen wir wohnten, wurden sorgfältig ausgewählt, ohne zu sehr ins Detail zu gehen.“ Keiner von beiden will mehr über „die Organisation“ verraten, obwohl wir davon ausgehen können, dass sie nicht von der britischen Regierung reden.

IRISH TOUR ’74, das daraus resultierende Album, bleibt das Highlight von Gallaghers Karriere. Aufgenommen in Belfast, Dublin und Cork, brachte es endlich seine Live-Auftritte zu Vinyl. Während die Tonqualität schwankt – teilweise, weil man für Ronnie Lanes Mobil-Studio keinen Versicherungsschutz in den gefährlicheren Gebieten bekommen konnte –, verliert das Album doch nie seine ursprüngliche, rohe Energie. Es ist der Klang einer Band, die sich über den Abgrund lehnt – etwas, das Gallagher explizit ermutigte, indem er die Shows ohne Setlist völlig spontan gestaltete. „Seine Einstellung war, ‚Wenn du meine Musik nicht kennst, was zum Teufel willst du dann hier?’“, so Rod de’Ath.

Der Dokumentarfilmer Tony Palmer, der mit den Beatles und Frank Zappa zusammengearbeitet hatte, filmte die Tour. Ursprünglich fürs Fernsehen entstanden, wurde das Endergebnis im Kino aufgeführt. Der Film zeigt ein ausgewogenes Bild des politischen Klimas im Irland jener Zeit, ebenso wie die totale Hingabe der Fans für einen Mann, der nicht nur ein Musiker war, sondern zu einem kulturellen Helden avancierte. Er war immer sehr bedacht darauf, „ein Musiker, kein Politiker“ zu sein, und tat alles, um in allen politischen Fragen neutral zu erscheinen. „Er wurde die ganze Zeit unter Druck gesetzt“, sagt Donal. „Jeder wollte das große Zitat. Für Leute außerhalb Irlands ist es in Ordnung, einen Kommentar abzugeben, aber wenn man ein Teil des Heilungsprozesses war, indem man für beide Seiten spielte und Musiker verschiedener Überzeugungen in der Band hatte, würde es niemandem nutzen, große Erklärungen abzugeben.“

IRISH TOUR ’74 erschien im Juli 1974, wurde Gallaghers sechstes UK-Top-40-Album und stieg auch in den so wichtigen Billboard-Top 200 in den USA ein. Es markierte für den Gitarristen jedoch auch das Ende einer Ära. Die Band ging von Polydor zu Chrysalis und somit in eine Welt der größeren Budgets. Sie nahmen zu viert zwei weitere Alben auf, AGAINST THE GRAIN (1975) und CALLING CARD (1976). Letzteres wurde von Deep-Purple-Bassist Roger Glover produziert, doch es war für beide Seiten eine unglückliche Erfahrung. Es sollte auch das letzte Album mit Rod de’Ath und Lou Martin werden. „Vielleicht war die Zeit für eine Veränderung gekommen, ich weiß es nicht“, sagt Martin. „Ich hatte nie Zugang zu seinen Gedanken.“

Auf jeden Fall veränderte sich die Welt, und Gallagher war bereit, sich mit ihr zu verändern. Die Ankunft des Punk hatte ihn stark beeindruckt und er kehrte zum fokussierteren Trio-Format zurück. „Er interessierte sich sehr für das Punk-Ding“, so Donal. „Er liebte die Attitüde und es verletzte ihn sehr, als er als Teil der alten Garde abgetan wurde.“ Er war sogar beim berüchtigten letzten Konzert der Sex Pistols im Januar 1978 im Winterland in San Francisco im Publikum. „Er sagte, ‘es war wahrscheinlich das schlechteste Konzert, das ich je gesehen habe’“, erinnert sich Donal.

Doch die gnadenlosen Terminpläne forderten ihren Tribut. Gallaghers Trinkerei eskalierte und entwickelte sich schließlich zu völliger Alkoholsucht. Er begann auch, Lampenfieber zu bekommen, Flugangst und Anfälle körperlicher Erschöpfung. Diese Probleme wollte er mit verschreibungspflichtigen Medikamenten lösen und wurde bald auch nach ihnen süchtig. Da er abseits der Bühne praktisch keine gesellschaftlichen Kontakte pflegte, wusste niemand, wie viele Pillen er nahm. „Selbst als Kind hatte Rory schon immer eine gewisse hypochondrische Veranlagung gehabt“, so Donal. „Er war fast schon begeistert, wenn er krank wurde, weil er dann ein Mittel oder eine Tablette bekam.“

In den 80ern geriet Gallagher sowohl bei der Musikindustrie als auch bei den Fans zunehmend in Vergessenheit. Obwohl er ständig auftrat, wurden die Pausen zwischen den Alben länger und länger. In den zehn Jahren vor FRESH EVIDENCE von 1990, seinem letzten Werk, veröffentlichte er nur zwei Alben. Donal erinnert sich, wie sich das Leben seines Bruders in seinen letzten Jahren nur um das Studio, die Kantine und die Bar drehte, wo er „erschreckende Rechnungen“ ansoff: „Er richtete sich zu Grunde, und wenn ein Album mal fertig war, war er am Rande des Nervenzusammenbruchs. Dann musste er da raus gehen und Promotion machen, bevor es auf Tour ging. Er schaltete nie ab.“

Letztlich holte sein Lebensstil Gallagher ein. Am 14. Juni 1995 starb er an Komplikationen nach einer Lebertransplantation, die durch seine Alkohol- und Pillensucht notwendig geworden war. Er wurde in Ballincollig in der Nähe von Cork beerdigt. Tausende gaben ihm auf der Straße sein letztes Geleit. Die Tragödie seines frühen Todes überschattet aber weder sein Talent noch sein Vermächtnis, was hauptsächlich auf jenen sechs Alben zwischen 1971 und 1974 begründet ist. Seitdem wurde er mit einer Statue, Briefmarken und sogar einer nach ihm benannten Straße geehrt, ganz zu schweigen von den Conventions, die regelmäßig zu seinen Ehren überall auf der Welt stattfinden – die öffentliche Anerkennung eines stets so zurückgezogenen Mannes.

„Wenn ich jetzt zurückblicke, denke ich, Mann, wie hat er nur von ’71 bis ’74 all diese Alben gemacht?“, so Donal. „Wenn etwas ohne einen Trend oder eine Mode entsteht, kann es nicht auf eine bestimmte Ära festgelegt werden. Es ist zeitlos.“

Die seltsame Geschichte von Rory Gallaghers einstigem Drummer

Als Rory Gallagher 1995 starb, berichteten viele Nachrufe, dass sein früherer Schlagzeuger Rod de’Ath schon ein paar Jahre zuvor von uns gegangen sei, wahlweise aufgrund eines gewaltsamen Überfalls oder eines schiefgegangenen Drogendeals. Dann überraschte de’Ath jedoch alle, indem er bei Rorys Gedenkgottesdienst auftauchte, äußerst lebendig, wenngleich auf einem Auge blind. „Ich konnte nicht zur Beerdigung selbst gehen“, sagt de’Ath heute. „Hey, alle dachten, ich sei tot. Der Schock, mich zu sehen, hätte wahrscheinlich noch ein paar weitere Todesfälle verursacht.“

CLASSIC ROCK hat de’Ath in einem Pub im Osten Londons aufgespürt, um die Wahrheit hinter einer der großen Abtauchaktionen der Rockgeschichte zu erfahren. Mit seinem schwarzen Filzhut, der Augenklappe („damit ich nicht doppelt sehe“) und seinem aufwendig verzierten Gehstock sieht er weniger wie ein Rockopfer aus als ein eleganter Hybrid aus Alan Moore und Terry Pratchett.

Nachdem er sich 1976 von Gallagher trennte, stieß er zu Ramrod und Downliners Sect, bevor er in den frühen 80ern in die USA zog. Seine Probleme begannen, als er Ende der 80er nach Großbritannien zurückkehrte, um Familie und Freunde zu besuchen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er einen mysteriösen Unfall, von dem dann viele glaubten, er habe ihn getötet. „Es gab mehrere Gerüchte über meinen Unfall. Ein übermotorisiertes Motorrad, ein schnelles Auto. All diese Geschichten hatten etwas gemeinsam: dass ich unter Drogen stand. Totaler Bullshit. Was tatsächlich passierte, ist gar nicht so aufregend. Ich rannte eine Treppe runter, um einen Zug zu erwischen, stolperte und schlug mit dem Kopf auf.“

Der Schlagzeuger wachte auf der Intensivstation auf, nachdem er im Koma gelegen hatte. Er hatte einen Hirnschaden erlitten und war nun auf einem Auge blind. Er hatte auch sein Gedächtnis verloren und konnte sich nicht erinnern, wer er war oder wie er dort gelandet war. Langsam kehrte sein Gedächtnis zurück, aber aufgrund der ausgesetzten Zahlungen verlor er sein Haus. Seine Chirurgen hatten noch mehr schlechte Nachrichten: Die Verletzung an seinem Hirn war so schlimm, dass er letztlich daran sterben würde. „Man sagte mir, ich hätte noch maximal vier Jahre zu leben. Das war schwer. Ich dachte, ‚Wieso soll ich nun Leute kontaktieren und sagen, hi, ich bin’s – ich bin wieder da? Ach ja, und ich sterbe nächstes Jahr.“

Diese Prognose liegt nun 19 Jahre zurück. Als Gallagher starb, beschloss Rod, „genug ist genug“, und erschien beim Gedenkgottesdienst des Gitarristen. Heute gibt er zu, dass es am schwersten war, zu akzeptieren, dass er nie wieder Musik spielen oder produzieren können würde. „Mein Gehör war hinüber, und Musik zu machen, war mein Leben. Für ein paar Jahre war ich wahrscheinlich kein sehr angenehmer Zeitgenosse.“

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4 Kommentare

  1. Danke für diesen tollen Artikel über einen der besten Gitarristen aller Zeiten (und dann auch noch an seinem Geburtstag veröffentlicht). Ich hatte die Ehre Rory 43 x live zu sehen (auch in Holland, Frankreich und der Schweiz). Live gab es keinen besseren. Er kam schon mit „Schaum vorm Maul“ auf die Bühne und legte los wie ein Berserker. Mann, wie gerne denke ich an diese Zeit zurück. Also, nochmals vielen Dank für diesen Bericht.

    • Ich habe ihn leider nur 1 x live erlebt und liebe seine Musik total. Was für ein authentischer Typ er doch war. Und so je.abden wie ihn wird es nie wieder geben.
      Seit 1995 ist er A Million Miles Away, doch allen die seine Musik lieben durch sie noch ganz nah.
      Danke Rory!

  2. ja man…Rory hat schon meine Jugend gepraegt…..bin 66 geboren und hoere noch heute Stagestruck und Europe 72 im Auto……ich werde ihn immer lieben!

    Der Artikel: bessef geht nicht!

  3. Rory war für mich eine der Hauptinspirationen um selbst die Klampfe in die Hände zu nehmen bzw. 1970 in eine Band einzusteigen.
    Rory,s Trio-Band Taste war neben Cream und Jimi, s Experience die Musik an der wir uns als Trio orientierten, nicht kopierten sondern unsere eigenen Songs machten.
    Es war eine musikalisch tolle Zeit an die ich mich als alter Sack mit mittlerweile 70 Jahren immer wieder gerne erinnere und dann die LP,s besagter Musik-Heros auflege, genieße. Das werde ich solange zelebrieren bis mir das Gehör komplett versagt oder ich ins Nirvana übertrete. Dort treffe ich dann hoffentlich meine vorangegangen Heros wieder. Vielleicht ergibt sich dann die ein oder andere Jamsession.

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