BLUEPRINT war eilig eingespielt worden, nachdem Polydor darauf bestanden hatte, Anfang 1973 eine Platte zu veröffentlichen. Doch schon beim Opener ›Walk On Hot Coals‹, das als Jam auf Howlin‘ Wolfs ›Shake For Me‹ begonnen hatte, und dem Ragtime-beeinflussten ›Unmilitary Two-Step‹ zeigten sich die Vorteile des vergrößerten Band-Line-ups. Ein weiteres Stück, ›Daughter Of The Everglades‹, wurde sowohl von einem Ausflug in die sumpfigen Bayous von New Orleans inspiriert, als auch von einer Geschichte über eine nicht erwiderte Liebesaffäre auf Distanz, die Gallagher gelesen hatte.
Nachdem er stets fühlte, dass er den Dschinn seiner Begabung in die enge Flasche des Blues zwängen musste, war dieses Album der Klang seiner kreativen Entfaltung. „Es ist nicht viel Blues darauf zu finden“, so McAvoy. „Rory entwickelte sich als Songwriter. Er hatte mehr Informationen in seinem Kopf, vom Touren, von den Dingen, die er da draußen sah. Rory liebte alte Schwarzweißfilme.“
Mit diesem Album kehrte die Band nach Amerika zurück. Nachdem er dort schon mit Taste getourt war, hatte Rory in den USA eine loyale Gefolgschaft um sich geschart, die sicherstellen würde, dass seine Musik – und sein Arbeiterklasse-Ethos – auch bei späteren Generationen auf Resonanz stoßen würde. „Er trat an Orten auf, die abseits ausgetretener Pfade lagen, wie Portland, Oregon, wo eben die Leute aus der Arbeiterklasse waren“, sagt Donal Gallagher. „Deswegen war er auch in der Grunge-Bewegung so beliebt.“
„Unser Arbeitspensum war außerordentlich“, so de’Ath, „und Rorys Ansprüche waren hoch. Er trieb sich selbst an. Wenn er während meiner Zeit an Erschöpfung litt, konnten wir ihn nur zum Absagen einer Show bewegen, indem wir sagten, ich sei krank. Was mich etwas nervte.“
In Amerika begegnete Gallagher auch Lou Reed, als Mick Rock sie einander im glamourösen New Yorker Club Max’s Kansas City vorstellte. Dieses ungleiche Paar zog sich umgehend in eine Ecke zurück und begann, sich über Feedback zu unterhalten. „Sie haben sich bestimmt gut verstanden“, so Rock. „Rory war kein Bullshitter.“
Obwohl er in den USA als Headliner auftrat, schaffte er dort nie den großen Durchbruch. Donal führt das auf die sture Weigerung seines Bruders zurück, sich kommerziellen Diktaten zu unterwerfen, weswegen er einige goldene Gelegenheiten verstreichen ließ, um seine Bekanntheit zu erhöhen: „Robbie Robertson war ein riesiger Fan von Rory und wollte ihn für ‚The Last Waltz‘, doch er lehnte ab, weil er schon anderweitig für Konzerte verpflichtet war.“
m Juli 1973 zog die Band für die Proben zum fünften Album in drei Jahren, TATTOO, nach Cork um. Seit den Zeiten von Taste war es das erste Mal, das Gallagher in Irland an einem Album arbeitete. „So glücklich habe ich ihn nie gesehen“, so Donal. „Er liebte es, nach Cork zurückzukehren, aber es wurde unmöglich für ihn, dort über die Straße zu gehen, also mieteten wir einen Club auf einem Boot auf dem Fluss an, wo er ausspannen und Hausmannkost essen konnte. Sie probten dort für das Album und es war schon ziemlich ausgereift, als wir nach London kamen.“
Wie auf früheren Alben waren auch die neun Stücke auf TATTOO von Gallaghers eigenem Leben inspiriert. Der Opener ›Tattoo’d Lady‹ rief die Rummelplätze und Freakshows seiner Kindheit in Erinnerung, während ›Living Like A Trucker‹ – inklusive Clavinet à la Stevie Wonder – seine Erfahrungen auf Tour in Amerika behandelte. Mit seinen Bandkollegen sprach er jedoch nie über seine Inspirationsquellen oder Themen. „Bevor wir mit der Arbeit an TATTOO begannen, bat ich Rory, mir ein paar Texte aufzuschreiben, damit ich eine Grundlage hatte“, so de’Ath, „aber das tat er nie. Ich weiß nicht, was er dachte.“ Sofern es nicht um Musik, Bücher oder Filme ging, unterhielt Gallagher sich nie allzu tiefgründig mit seiner Band. „Ich weiß noch, wie wir mal in meinem Zimmer plauderten und er mich über spirituelle Dinge befragte. Er fragte mich, was diese oder jene Gottheit bedeutete und Reinkarnation, Buddhismus etc., denn er wusste, dass ich mich sehr dafür interessiere. Wir waren beide betrunken und ich erinnere mich, wie er irgendwann sehr wütend wurde, hinaus stürmte und schrie, ‚das ist Blasphemie!’“
Gallagher war auch zunehmend frustriert darüber, dass er die Energie der Live-Shows nicht einfangen konnte. Bei einer Session drohte er, „die Bänder in den Müll zu werfen“. Das war keine leere Drohung – er sollte später komplette Alben auf Eis legen. „Er war ein Live-Performer“, so Lou Martin. „Er mochte das Studio nicht, weil er die Wände anspielte und keine Reaktion vom Publikum bekam. Aber er musste für die Plattenfirma Alben einspielen.“ „Rory hätte gut einen Coach gebrauchen können, um Disziplin zu lernen“, sagt Donal. „Er steigerte sich in Dinge hinein und etwas, das hätte Spaß machen sollen, tat es nicht.“
Auf der Bühne war das komplette Gegenteil der Fall und Gallagher ließ sich verständlicherweise nicht die Chance entgehen, ein weiteres Live-Album aufzunehmen. Dieses sollte jedoch anders sein: Es würde in Irland aufgezeichnet werden. Damals, Ende 1973, war Nordirland gefangen in den Klauen der Konfessionskriege. Die Provisional IRA hatte im Jahr zuvor mehr als 100 britische Soldaten getötet und ca. 1300 Bomben hochgehen lassen. Paramilitärische Loyalisten hatten wiederum ihrerseits mit Gewalt darauf geantwortet. Es war also kaum überraschend, dass Bands aus Großbritannien nicht gerne dort auftraten. Gallagher war das egal. Er stellte sicher, dass die Band jedes Jahr in Irland spielte. Die Tourneen führten auch immer in den Norden, um für ein Publikum zu spielen, das während der Unruhen nach Rock hungerte. „Wir gehörten zu den ganz wenigen Bands, die in Nordirland spielten“, sagt Lou Martin stolz. „Lizzy wollten es wegen der Probleme dort nicht, aber Rory bestand darauf.“
Danke für diesen tollen Artikel über einen der besten Gitarristen aller Zeiten (und dann auch noch an seinem Geburtstag veröffentlicht). Ich hatte die Ehre Rory 43 x live zu sehen (auch in Holland, Frankreich und der Schweiz). Live gab es keinen besseren. Er kam schon mit „Schaum vorm Maul“ auf die Bühne und legte los wie ein Berserker. Mann, wie gerne denke ich an diese Zeit zurück. Also, nochmals vielen Dank für diesen Bericht.
Ich habe ihn leider nur 1 x live erlebt und liebe seine Musik total. Was für ein authentischer Typ er doch war. Und so je.abden wie ihn wird es nie wieder geben.
Seit 1995 ist er A Million Miles Away, doch allen die seine Musik lieben durch sie noch ganz nah.
Danke Rory!
ja man…Rory hat schon meine Jugend gepraegt…..bin 66 geboren und hoere noch heute Stagestruck und Europe 72 im Auto……ich werde ihn immer lieben!
Der Artikel: bessef geht nicht!
Rory war für mich eine der Hauptinspirationen um selbst die Klampfe in die Hände zu nehmen bzw. 1970 in eine Band einzusteigen.
Rory,s Trio-Band Taste war neben Cream und Jimi, s Experience die Musik an der wir uns als Trio orientierten, nicht kopierten sondern unsere eigenen Songs machten.
Es war eine musikalisch tolle Zeit an die ich mich als alter Sack mit mittlerweile 70 Jahren immer wieder gerne erinnere und dann die LP,s besagter Musik-Heros auflege, genieße. Das werde ich solange zelebrieren bis mir das Gehör komplett versagt oder ich ins Nirvana übertrete. Dort treffe ich dann hoffentlich meine vorangegangen Heros wieder. Vielleicht ergibt sich dann die ein oder andere Jamsession.