Der ewige Schwerenöter im Interview von 2018 über das Altern, #MeToo, Celtic Glasgow und sein jüngstes Album BLOOD RED ROSES.
Seit über fünfzig Jahren ist Rod Stewart nicht aus der Pop- und Rockmusik wegzudenken. Zunächst bei The Faces, später solo, steht der Brite mit der markant-rauen Stimme für legendäre Songs wie ›Sailing‹ oder ›Maggie May‹. Nach einer kreativen Dürre, in der er – allerdings höchst erfolgreich – über mehrere Alben vor allem Coversongs (THE GREAT AMERICAN SONGBOOK) veröffentlichte, sitzt der Vater von acht Kindern von fünf Frauen (die älteste Tochter ist 55, der jüngste Sohn ist sieben) künstlerisch nun wieder fest im Sattel. Sein neues Album BLOOD RED ROSES, das ausschließlich aus Eigenkompositionen besteht, ist eine überzeugend solide Liedersammlung mit einigen rasanten, aber auch vielen besinnlichen und eher ruhigen Songs. ›Julia‹ beispielsweise ist eine rührende Ballade über das erste Mädchen, in das Womanizer Stewart je verliebt war (mit zehn).
Auch ›Grace‹ oder ›Cold Old London‹ (mit der der hübschen Zeile „I’m getting old/ The girls are getting younger“) sind auf der melancholischen Seite des Schaffens angesiedelt. Aber dann gibt es auch den feurigen ›Vegas Shuffle‹, die musikalisch interessante Uptempo-Nummer ›Honey Gold‹, und auch ›Rollin’ & Tumblin’‹ atmet den Geist des Rock’n’Roll. Zwar sollte man von einem Rod-Stewart-Album – BLOOD RED ROSES ist übrigens seine dreißigste Studioaufnahme – kein Feuerwerk der Innovationen erwarten, aber trotzdem klingt der Irish-Folkige Titelsong, das erstaunlich elektronische ›Look In Her Eyes‹ sowie das ansatzweise im Disco angesiedelte ›Give Me Love‹ auch für die Ohren des abgebrühtesten Kenn-ich-doch-alles-Nörglers richtig schön frisch.
Der Tag neigt sich langsam dem Abend entgegen, als Rod Stewart die Interviewsuite des Hyatt-Hotels am Potsdamer Platz in Berlin betritt. Er trägt einen hellbeigen Anzug, Slipper, keine Strümpfe. Ein Assistent gießt dem 73 Jahre alten Urgestein mit der Raspel-Stimme noch ein Glas Sprudelwasser ein, dann geht es los, und Rod ist gleich mitten drin im Gespräch. Einen Aufwärmplausch braucht dieser Mann nicht.
Rod, du darfst dich seit zwei Jahren als „Sir Rod“ ansprechen lassen. Bist du stolz auf deinem Ritterschlag?
Ja, verdammt stolz sogar. Mir bedeutet das eine Menge. Ich bin immer noch Rod, keine Frage, aber es war ein wunderbarer Tag. Ich hätte mir bloß gewünscht, meine Eltern hätten die Zeremonie noch erlebt. Aber es ist schon toll, wenn man mich in Hotels und bei öffentlichen Anlässen als „Sir Rod“ anspricht. Das hat was. Also ich lache auch, aber es ist irgendwie schön. Mein Alltagsleben hat sich dadurch allerdings nicht verändert.
Hat ein Rod Stewart überhaupt einen Alltag?
Natürlich hat er das. Ich war im Sommer mit Cyndi Lauper auf USA-Tournee, das ist natürlich irgendwo Routine, auch wenn es irre viel Spaß gemacht hat. Cyndi ist eine verrückte Nudel, ich liebe sie. Zwei Blonde auf großer Fahrt. Jetzt im Herbst geben wir noch weitere Konzerte.
Stichwort Spaß. BLOOD RED ROSES ist dein 30. Studioalbum. Hat man da eigentlich noch Lust, sich diese Mühe zu machen?
Aber selbstverständlich. Ein Album aufzunehmen ist für mich das reine Vergnügen. Sonst würde ich es auch nicht tun, warum sollte ich mich abrackern? Und ganz sicher ist es ein viel tollerer Job, als eine Straße zu teeren. Heute ist es besser als früher, ich habe mehr Freude dabei, auch weil ich nicht mehr monatelang im Aufnahmestudio hocken muss, was eine Tätigkeit ist, bei der für mich der Spaß tatsächlich auch mal aufhört. Wir arbeiten viel am Laptop, und wir schicken uns die Musik hin und her. Das läuft heute alles transatlantisch.
Transatlantisch?
Ja, wir mailen Ideen hin und her, ich schreibe Texte, mein Co-Produzent fügt dann Schlagzeug und Bass und so weiter ein, man spart tierisch viel Zeit, das macht mich sehr froh. Billiger ist es auch noch, denn so musst du nicht die ganze Zeit für das Studio und für die Musiker bezahlen. Sondern wirklich nur dann, wenn du sie brauchst.
„Ich habe keine Angst vor dem Sterben, der Gedanke besorgt mich nicht übermäßig. Nur zu bald sollte es noch nicht passieren.“
Kannst du dir vorstellen, alt zu sein?
Aber ich bin doch alt! (lacht laut und schlägt sich aufs Knie) Dieses Knie ist kaputt, deshalb kann ich nicht mehr richtig Fußball spielen. Ich fühle mich schon gut, ich trainiere viel, halte mich fit, esse vernünftig. Ich trinke allerdings zu viel, das wird noch mal mein Untergang sein.
Wirklich?
Ich trinke zu viel Wein. Ich liebe Wein. Ich bringe es nicht übers Herz, in einem schönen Restaurant lecker zu essen und Wasser dazu zu trinken. Da gehört einfach ein Glas Wein dazu.
Hattest du den Alkohol immer im Griff?
Ich bin nie unter die Räder gekommen. Das hielt sich immer im Rahmen. Ganz ehrlich: Wenn ich zu viel saufe, dann falle ich einfach um. Ich trinke gerne so ein bisschen, da merke ich auch nichts von. Aber ich gebe mir nie komplett die Kante.
Die Single ›Didn’t I‹ dreht sich um Drogenprobleme. Worum geht es genau?
Ich singe aus Elternsicht über die Nöte und Sorgen, die man mit drogenabhängigen Teenagerkindern hat.
Was hat dich gerade zu diesem Thema bewogen?
Weiß ich gar nicht. Ich setze mich nicht groß hin und überlege „So, jetzt schreibe ich über Drogensucht aus Sicht der Eltern“. Das hat mich einfach interessiert. Man bekommt ja mit, wie sie sich verändern, sich anders verhalten, anders sprechen, sogar anders gehen. Und du sitzt da und denkst „Was passiert hier?“ Wie alle meine Songs ist aber auch dieser einfach zu mir gekommen.
Über ›Look In Her Eyes‹ sagst du, das Lied erzähle eine moralische Geschichte. Welche genau?
Zu meinen Zeiten ging es zwischen Mädchen und Jungs lockerer zu als heute, auch ruppiger und ein bisschen direkter. Heute hat sich das sehr verändert, wir Männer müssen aufpassen wegen dieser „MeToo“-Bewegung, die längst überfällig war. Wir können uns nicht länger einen hinter die Binde kippen und in der Kneipe die nächste Frau bespringen.
Hattest du jemals Ärger, weil du zu forsch warst gegenüber einer Frau? Nein, nie. Ich kannte dieses Problem nicht. Damals bei The Faces, als ich jung war, war es umgekehrt. Wir mussten die Ladies wegschubsen, sonst hätten sie in Trauben auf uns gelegen.
Wäre es wohl heute genauso viel Spaß, ein junger Rockstar zu sein, wie damals in den 60ern und 70ern?
Nein. Oh nein. Nicht mal annähernd. Handys und Kameras haben es unmöglich gemacht, mit den Sachen durchzukommen, mit denen wir damals durchgekommen sind. Heute kann man sich gar nichts mehr erlauben, von allem gibt es Fotos und Filme. Die 70er waren so wild und so frei, und, hey, die 80er waren auch noch heiß. Es war ein wilder Ritt.
Der Song ›Rest Of My Life‹, in dem du davon singst, dass du den Rest deines Lebens mit der anderen Person verbringen willst, handelt der von dir und deiner Frau Penny Lancaster, mit der du seit 19 Jahren zusammen bist?
Nein, nein. Obwohl: Es würde passen. Ich habe ›Rest Of My Life‹ über ein Paar geschrieben, das die Liebe erst spät im Leben findet.
Na, das passt doch. Du warst Mitte 50.
Aber Penny war erst 28!
Was ist das Geheimrezept eurer langen Liebe?
Penny und ich absolvieren jeden Tag eine irrwitzige Menge an Kommunikation. Dazu gehört eben auch die Kunst, der anderen Person zuzuhören. Das kann ich bei ihr. Aber sonst? Es ist die besondere Chemie zwischen uns. Wir harmonieren wundervoll zusammen.
Immer, wenn man Fotos von dir sieht, machst du den Eindruck eines gesetzten Herrn, der fast schon unverschämt viel Spaß hat. Rod, bist du ein glücklicher alter Knochen?
(lacht) Das ist wahr, das ist sehr wahr. Ich habe immer gern auf dem Platz gestanden, der mein Leben ist. Was denn sonst? Und guckt mich doch an. Ist doch alles super. Ich bin gesund, habe spät im Leben und unerwartet nochmal zwei Kinder bekommen, und diese beiden, Alastair und Aiden, einer ist zwölf, der andere ist sieben, die bedeuten mir alles auf der Welt. Beide Jungs sind krasse Fußballfans.
Welcher Verein?
Celtic Glasgow natürlich, was denn sonst? Der Kleine geht immer in seinem Trikot zur Schule
Ist es also Pflicht, als Sohn des Celtic-Glasgow-Fans Rod Stewart ebenfalls Celtic-Fan zu sein? (lacht) Das kannst du aber glauben, Junge! Alle meine Söhne haben ihre Celtic-Trikots, und wenn sie rausgewachsen sind, bekommen sie eben ein neues. So läuft das nun mal im Fußball.
always in my mind
greetings from waltzing mathilda
Rocking Rod. Sehr ehrliches Interview von einem der größten Rockstars aller Zeit. Rod wird ja oft geschmät aufgrund seiner vielen Balladen. Auf der anderen Seite stehen aber die ganzen großartigen Rockklassiker mit der Jeff Beck Group, den Faces und natürlich solo. Ich kann nur schreiben, ich liebe den Typen und seine großartige Musik. Und dass macht er jetzt schon seit über 50!!! Jahren.
Was für ein Mensch, danke, Sir Rod 😉 für Deine Musik, die mich seit über 40 Jahren stets begleitet hat.
In hellen wie in dunklen Stunden, du warst eine ständige konstante und wirst es auch immer sein.