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Rob Halford im großen Interview

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Rob Halford im großen Interview

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Am 15. März 2021 erschien die deutsche Ausgabe von Rob Halfords Autobiographie „I Confess“. In seinen Memoiren zeigt sich der Frontmann von Judas Priest schonungslos ehrlich, berichtet ungeschönt von den vielen Tiefpunkten in seinem Leben und beleuchtet außerdem die ständige Zerrissenheit, die ihm seine Homosexualität in der teilweise toxisch männlichen Welt des Heavy Metal jahrzehntelang bereitete.

CLASSIC ROCK traf den gut gelaunten „Metal God“ zum Interview, plauderte ausgelassen über dessen Lebensweg und holte sich zum Schluss sogar ein paar wertvolle Beziehungstipps ab.

Ich freue mich ja sehr über mein erstes Zoom-Video-Interview. Dann auch noch gleich mit Rob Halford.

Ach, das ist dein erstes? Wirklich? Ich habe in letzter Zeit hunderte von Zooms geführt. Anfangs war ich darüber gar nicht erfreut, ich bin da eher oldschool und klemme mir einen Hörer ans Ohr. Aber wie du sehen kannst, ist das schon eine schöne Geschichte, Interviews so zu führen. Wir können uns gegenseitig sehen, eine gewisse körperliche Komponente ist also da, das macht schon etwas aus.

Natürlich sprechen wir heute über dein Buch „Ich bekenne“ und als erstes würde ich gerne von dir wissen, wie lange du schon darüber nachdenkst, dieses Buch zu schreiben.

Ich glaube, erstmals habe ich schon in meinen 40ern darüber nachgedacht. Mein Management erzählte mir immer mal wieder, dass verschiedene Verlage angeboten hätten, meine Autobiographie zu veröffentlichen. Aber damals waren verrückte Zeiten, vor allem im Heavy Metal, also hörte ich auf meinen Instinkt, der mir damals sagte: Es ist noch zu früh. Ich wollte einfach noch mehr erleben. Das habe ich dann auch getan. Über die Jahrzehnte hinweg sind immer mal wieder Verlage an mich herangetreten. Am Ende weiß ich gar nicht wirklich, was mich getriggert hat. Es gab keinen wirklichen Grund oder Zweck für dieses Buch, außer den, dass ich im Innersten gespürt habe, dass ich nun soweit war. Ich dachte mir: Jawohl, jetzt mache ich das. Ich habe noch 20 bis 39 weitere prall gefüllte Jahre gelebt, mir sind noch so viele Dinge passiert. Da habe ich einfach auf meinen Bauch gehört. Und Jacqueline, was auch ein wichtiger Punkt war: So ein Buch schreibt man nur einmal. Wie lächerlich ist es, zwei oder drei Autobiographien herauszubringen. Das Timing war jetzt einfach genau richtig.

Und wie fühlst du dich nun, wo du vor der Öffentlichkeit so komplett blank gezogen hast und nichts mehr zurücknehmen kannst?

(lacht) Ich fühle mich sehr gut, weil das Feedback, vor allem auf Social Media, sehr positiv war. Sehr viele Fans haben mir tolle Nachrichten und Kommentare auf Facebook und Instagram zukommen lassen und das freut mich sehr, das hat sehr viel mehr Wert als alles andere. Ich würde sagen, dass mein Leben nicht zwingend einzigartig ist. Der Hauptantrieb für dieses Buch war vor allem, dass ich trocken wurde und plötzlich die Realität über mich hereinbrach. Darüber spreche ich ja sehr ausführlich. Für meine persönliche Anti-Alkohol-Reise war es wichtig, etwas in die Welt zu geben, das für manche Menschen von Nutzen sein kann, z.B. wenn sie gerade mit ihrer eigenen Nüchternheit zu kämpfen haben. Vielleicht denken sich ja einige von ihnen: „Oh, Rob hat dies durchgemacht, Rob hat jenes durchgemacht“ und es hilft ihnen, weil sie wissen, dass sie nicht alleine sind. Dieses Gefühl von Verbundenheit. All diese zusätzlichen Faktoren waren mir sehr wichtig, als ich das Buch schrieb.

Bevor ich jetzt wirklich einsteige, muss ich natürlich noch kurz darauf eingehen, dass du Musikjournalisten und Journalistinnen wie mich als „Besserwichser“ bezeichnest…

(lacht) Hand aufs Herz, heutzutage ist das nicht mehr ganz so wahr, aber damals in den alten Zeiten, in den frühen Metal-Tagen, verstanden manche Journalisten ihren Einfluss und ihre Macht nicht wirklich. Und dieser Terminus – den ich übrigens nicht erfunden habe, den gab es schon – wurde für Schreiber benutzt, die sehr selbstverliebte Meinungsmache-Artikel verfassten. Die schrieben, dass Priest ein großer Haufen Scheiße war. Dass sie niemals freiwillig auf ein Konzert gehen würden, dass wir bloß nicht unsere Tagesjobs aufgeben sollten, weil aus uns niemals was werden würde. Solche Geschichten, weiß du? (lacht) Stell dir nur mal vor, jemand schreibt das über dich: Wie würdest du dich fühlen? Eine unserer Bewältigungsstrategien war also, diese Typen als fucking Besserwichser zu bezeichnen. (lacht) Heute ist mir das natürlich total egal, weil ich es mir aussuchen kann. Wenn mich jemand bei einem Interview aufregt, dann kann ich im schlimmsten Fall ja einfach aufhören. (lacht) Als Newcomer-Band lechzt man natürlich nach Öffentlichkeit und Publicity. Ich meine, am Ende ist die Beziehung zwischen Journalisten und Journalistinnen und uns Musikern reziprok, wir brauchen einander, wir haben Spaß miteinander. Aber manchmal muss ich schon noch an diese Besserwichser denken, vor allem an die, die immer prophezeiten, dass aus Priest niemals etwas werden würde. Ich frage mich, wo die wohl heute sind. (lacht)

Wenn wir mal an die Anfänge zurückgehen: Wie geht das, dass ein junger Kerl aus der Arbeiterklasse in den Midlands sich dafür entscheidet, Sänger werden zu wollen. Ohne Rücksicherung und Plan B?

Es ist schwer, das wirklich in Worte zu fassen, weil das so ein inwendiges Gefühl ist, über das du keine Kontrolle hast, weil es dich so stark in eine Richtung zieht. Es ist dein Schicksal, in einer Band zu sein oder auf einer Bühne zu stehen. Das ist überlebenswichtig, auch heute noch ist es für alle von Priest überlebenswichtig. Aber damals, als wir jung waren, war die Welt einfach voller endloser Möglichkeiten. Du lässt dich von nichts ausbremsen, du räumst Hindernisse aus dem Weg. Du bist von diesem Traum erfüllt. Was immer es dich kosten mag, du bringst deine Band von einer Venue zur nächsten. Du spielst in kleinen Clubs und träumst davon, eines Tages das Hammersmith Odeon auszuverkaufen und in fremden Städten zu spielen. Dieser innere Drive ist so wichtig. Als junge Band muss man Träume haben.

Ich frage mich ja immer, wenn ich mit Leuten wie dir oder Noddy Holder von Slade spreche, warum euch eure Eltern damals unterstützt haben. Man würde davon ausgehen, dass der Papa aus der Arbeiterklasse in den 60ern nicht davon begeistert ist, wenn sein Sohn plötzlich Musiker werden will.

Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass man an seine Kinder glaubt. Dass man an das Talent in den eigenen Kinder glaubt und dass man als Eltern seine Kinder unterstützen sollte. Ich meine, so sollten Eltern doch sein oder? Sie sollten dich lieben und ehren und dich motivieren und unterstützen. All diese wundervollen Sachen. Das ist aber natürlich nicht immer der Fall, deswegen hatten wir am Ende wahrscheinlich einfach Glück. Manche Kids haben auch einfach ihre sieben Sachen gepackt und sind gegangen, weil sie von ihren Eltern verstoßen wurden. Für mich war dieser familiäre Rückhalt jedoch wirklich lebenswichtig, wahrscheinlich wäre alles anders ausgegangen, wenn meine Mum und mein Dad nicht hinter mir gestanden wären. Witzig, dass du Noddy erwähnst. Er lebte damals ja wirklich um die Ecke, fünf Minuten zu Fuß.

Als du damals dann mit Priest so richtig in den Heavy Metal eingetaucht bist: Was gab er dir damals, was gibt er dir heute?

Heavy Metal gibt mir das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Er verschafft mir Befriedigung. Zeigt ein unglaublich unzerstörbares Bündnis der Freundschaft auf, das man mit dieser Musik erschaffen kann. Nicht nur innerhalb der Band, sondern vor allem auch mit den Fans. Sobald man Fan von einer Gruppe wird, dfreundet man sich automatisch mit der Band an, weil Musik eben so eine wichtige Rolle in unseren Leben spielt. Die Musik bringt uns alle durch gute und nicht ganz so gute Zeiten. Für mich und Judas Priest hat sich das in den letzten 50 Jahren nicht wirklich geändert. Außerdem ziehen wir daraus einen gewissen Komfort, eine gewisse Sicherheit und viel Liebe – so seltsam das im Kontext von Heavy Metal auch klingen mag. Das muss man sich immer wieder bewusst machen, denn nichts davon ist selbstverständlich. Weil auf der anderen Seite ist der Rock’n’Roll das pure Chaos.

Das halbe Buch handelt von deiner Angst vor einem Outing. Du hattest Angst davor, als schwuler Mann von der Metal-Community abgelehnt zu werden. Warum hält man so sehr an einer Szene fest, die einen durch ihre teilweise Promotion von toxischer Maskulinität vielleicht hassen könnte? Das steht doch im Widerspruch zu der Freundschaft und der Liebe, oder?

(lacht) Ich war einfach so verwirrt und hatte solche Angst vor Zurückweisung und zwar vor allem vor dem Hintergrund der Band. Ich wollte Priest nicht gefährden, vor allem weil wir ja so viel Arbeit und Hingabe und Energie hinein gesteckt hatten. Ich liebte meine Bandkollegen, ich wollte es nicht für uns alle versauen. So sah es damals in meinem Kopf aus. Ich hatte Angst davor, Priest irreparable Schäden zuzufügen, wenn ich mit meiner Sexualität an die Öffentlichkeit gehe. Das waren natürlich alles nur Hypothesen, aber durch all die Geschichten, die ich gehört hatte, all die Dinge, die ich gelesen habe, hatte ich einfach schreckliche Angst. Es ging mir mehr um die Band als um mich selbst. Erst, als ich trocken wurde, habe ich verstanden, dass es nicht selbstsüchtig ist, auf sich selbst acht zu geben und mich selbst zu lieben. Als ich diese früheren Minderwertigkeitskomplexe noch mit Alkohol und Drogen mischte, war das wie ein Großbrand. (lacht) Es war wirklich hart, aber das ist nun mal ein wichtiger Teil dieser Geschichte, meiner Geschichte.

Es wirkt nur so schrecklich zerrissen und ambivalent: Auf der einen Seite sind das deine Fans, die dich lieben und die du liebst, auf der anderen Seite hattest du Angst, dass diese eine Seite an dir alles zerstören könnte. Und das über Jahre hinweg.

Es war hart. Und nochmal: Zu einem gewissen Ausmaß war das auch der Art und Weise geschuldet, wie die Welt damals noch funktioniert hat. Deutschland beispielsweise war viel offener gegenüber Homosexuellen. Nicht unbedingt komplett übergreifend, ich denke eher daran, wie das im Film „Cabaret“ dargestellt ist. Ich denke an berühmte Diven wie Marlene Dietrich, ich denke an die Akzeptanz gegenüber der Kunst. Wenn ich mich in den 70er Jahren als Schwuler in Deutschland geoutet hätte, wäre das vielleicht gar kein großes Ding gewesen. Die deutschen Fans hätten wahrscheinlich gesagt: ‚Na und? Uns doch egal.‘ Aber in einem anderen Teil der Welt wäre das wohl nicht gegangen und da schließe ich mein Heimatland, die UK, mit ein. Da hätte das nicht funktioniert, da musste ich eine Balance finden und irgendwie damit klar kommen. Meine Balance habe ich gefunden, indem ich mich dumm getrunken und mir Zeug durch die Nase gezogen habe, um wenigstens ein bisschen Freude empfinden zu können. Das war eine echte Sackgasse.

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