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Queen: Keine Zeit für Verlierer

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Queen: Keine Zeit für Verlierer

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Die Ironie dabei: Je größer und bombastischer der mo­­dus operandi von Queen wurde, desto mehr warf man ihnen vor, hohl und dreist zu sein. Doch niemand nahm Queen mehr auf die Schippe als Freddie Mercury selbst: „Na­­türlich, Schätzchen“, sagte er zu einem Autor. „Wir sind wunderbar seicht. Unsere Songs sind wie Einwegrasierer – gemacht für den Massenkonsum und sofort zu entsorgen.“ Als er auf die aufwendigen Bühnenproduktionen angesprochen wurde, mit denen sie mittlerweile auf Tour gingen, lachte er und sagte: „Wir sind die groteskeste Band, die je existierte.“

Wie mir Brian May einst sagte: „Der größte Irrtum der Leute, die es nicht verstanden haben, war, dass [Freddie] sich ernstnahm. [Sie] ka­­pierten nicht, dass obwohl er seine Arbeit unglaublich ernst nahm, es immer dieses Element der Selbstparodie in Freddie gab, wenn man so will. Er war immer ein bisschen schelmisch, da gab es immer dieses Funkeln in seinen Augen. Ich denke, das entging vielen Außenstehenden. Doch das störte Freddie nie, es machte ihm überhaupt nichts aus. Für ihn war es eben ein Fall von ‚Entweder sie kapieren es oder eben nicht‘.“

Eine Hybris, die sich natürlich irgendwann rächt. Und just in dem Moment, als es aussah, als könnten Queen nicht noch größer werden – ›Another One Bites The Dust‹ von THE GAME (geschrieben von John Deacon) wurde ihr zweiter Nr.-1-Hit in den USA, ein Jahr später gefolgt von ihrer einzigen UK-Nr.-1 der 80er, ›Under Pressure‹ mit David Bowie –, flogen sie schließlich zu nah an die Sonne heran und versengten sich übel die Flügel. Sie machten es zwar nicht öffentlich, aber am
Ende der Aufnahmen zu THE GAME hatten sie sich praktisch schon aufgelöst.

„Ja, zu verschiedenen Zeitpunkten waren wir alle mal ausgestiegen“, ge­­stand May. „Man macht eben auch mal schwere Zeiten durch, wie in jeder Be­­ziehung. Das war bei uns definitiv so. Normalerweise im Studio, nie auf Tournee. Auf Tour hat man ja immer ein klares, gemeinsames Ziel. Doch im Studio wollen alle etwas anderes und das kann sehr frustrierend sein. Im Idealfall läuft es nur zu 25 Prozent so, wie man es sich wünscht. Also ja, wir hatten schlechte Zeiten. Das Ge­­fühl, dass man nicht vertreten ist, dass man nicht gehört wird.

Denn das ist ja eines der Dinge daran, ein Musiker zu sein: Man will gehört werden. Man will, dass die eigenen Ideen da raus kommen. Man will das Erlebte als Inspiration ausloten. Es war schwer, einen Kompromiss zu finden, aber wenn uns das gelang, war es das immer wert.“ Fast 20 Jahre später brachte es John Deacon einfacher auf den Punkt: „Als wir dieses Niveau er­­reicht hatten und in so vielen Ländern erfolgreich waren, ließ die Motivation ein bisschen nach.“

Der Tiefpunkt kam schließlich 1982 mit dem Album HOT SPACE. Nach einem Jahrzehnt an der Spitze hatten sich Queen als die wandelbarste Band seit den Beatles erwiesen. Sie schienen einfach alles tun zu können, nicht nur die Oper in die Charts bringen – die Oper, Mann! –, sondern ebenso Aretha-Franklin-Soul (›Somebody To Lo­­ve‹), prickelnden Pop (›Don’t Stop Me Now‹), Music-Hall-Klänge (›Good Old Fashioned Lover Boy‹), Rockabilly (›Crazy Little Thing Called Love‹), Mainstream-Rock (›Fat Bottomed Girls‹), Funkpop à la Chic (›Another One Bites The Dust‹)… Doch bei HOT SPACE beschlossen sie, dass sie sich auch an Disco versuchen konnten.

„Freddie und John wollten definitiv beide diese Funk-Richtung er­­kunden“, so May. „Ich weiß noch, wie Roger auf ›Another One Bites The Dust‹ reagierte, was definitiv nicht abgedruckt werden sollte! Doch letztendlich verstand er es. Ich werde mich auch sicher nicht für HOT SPACE entschuldigen. Ich stand da­­mals total dahinter. Es dauerte zwar eine Weile, bis ich diese Philosophie des Minimalismus verinnerlichte, doch es tat uns sehr gut, das war gut für die Disziplin, holte uns aus unserer Routine heraus und führte uns in eine neue Richtung.“

Das Problem war nur, dass Disco zu diesem Zeitpunkt, und nicht erst seit Kurzem, als absolut ausgelutscht galt. Mit der Single ›Body Language‹, einem schnittigen, ziemlich beeindruckenden Electro-Disco-Stampfer, stiegen sie auf das Genre ein, das Rap und der gerade aufkeimende Hip-Hop soeben neu erfunden hatten. Doch Freddie konnte es nicht sehen. Er lebte mittlerweile in New York und war ein allnächtlicher Stammgast in den Schwulen- und Sadomaso-Clubs, wo diese Musik noch immer angesagt war. Er wollte nicht nur den fast erstickenden Klang äußerst trocken bedienter Turntables nachahmen, sondern die ganze Szene mit ihrem Gewirr aus verknoteten Gliedmaßen.

Und so hatte die Rockband Queen nicht nur ihre musikalischen Grundsteine hinter sich gelassen, ihr Sänger hatte sich auch einen neuen, übermaskulinen Kurzhaarschnitt und Schnurrbart zugelegt, die jene nächtliche Szene verkörperten, die er nun als sein Zuhause betrachtete. Freddies Imagewandel vom schneidigen 70s-Rockstar zur kurzhaarigen, bärtigen Pop-Diva war der Moment, als die Karriere von Queen in den USA abzuschmieren begann.

Queen - Pressebilder - CMS Source (1)

„Ich denke, da ist wohl etwas Wahres dran, doch da passierte noch viel mehr, es gab mehrere Faktoren“, be­­kräftigt May. „Einer davon war das Video zu ›I Want To Break Free‹. Das war dann schon etwas später, aber ich weiß, dass weite Teile Amerikas mit Grauen darauf reagierten. Sie verstanden den Witz einfach nicht. Für sie waren das einfach nur Jungs, die sich wie Mädchen verkleideten, und das war unvorstellbar, vor allem für eine Rockband. Ich war tatsächlich bei einigen dieser Fernsehsender, als sie es erhielten, und viele von ihnen weigerten sich, es zu zeigen. Es war ihnen sichtbar peinlich, sich da­­mit befassen zu müssen. Das war also ein Faktor.“

Auch den Wechsel des US-Labels der Band Anfang der 80er nannte er als einen Grund: „Wir hatten eine Million Dollar dafür ausgegeben, aus dem Vertrag mit Warner-Elektra heraus zu kommen, um bei Capitol zu unterschreiben. Und Capitol hatten dann Riesenärger [mit einem Streit Anfang der 80er über die angebliche Bestechung unabhängiger Musikpromoter in den USA]. Im Wesentlichen musste Geld fließen, damit Platten [im amerikanischen Radio] gespielt wurden.

Es gab eine Untersuchung durch die Regierung und alle machten ganz, ganz schnell dicht. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, trennte sich Capitol von allen ‚unabhängigen’ Promotern, und die Rache dieses Netzwerks richtete sich direkt gegen alle Künstler, die damals gerade Platten veröffentlicht hatten. Bei uns war es ›Radio Ga Ga‹, das auf Platz 30 war und immer noch stieg, doch in der nächsten Woche war es komplett aus den Charts verschwunden. Ohne eigene Schuld wurden wir in diese ganze Geschichte verwickelt.“


Mercury ließ sich wie immer nichts anmerken und tat so, als wäre nichts wirklich wichtig. Queen tourten eben in Süd- statt Nordamerika. „Japan und Europa wurden auch richtig groß für uns. Osteuropa begann sich zu öffnen. Und durch eine Kombination all dieser Umstände, die ich beschrieben habe, ließen wir uns lange nicht in den USA blicken. Außerdem wollte Freddie nicht in kleinere Hallen als zuvor zurückkehren. Er sagte: ‚Lasst uns einfach warten und bald ziehen wir los und spielen auch in Amerika in Stadien.‘ Aber natürlich kam es nie mehr dazu.“

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2 Kommentare

  1. Also ich mochte das Lied „We are the Champions“ noch nie besonders und zwar genau wegen dieser Aussage, daß da welche meinen, sie seien die Größten und sie brauchten keine Zeit für Verlierer zu verschwenden. Diese Selbstgerechtigkeit ist meines Erachtens ein Grundübel der menschlichen Gesellschaft, genau deswegen ist diese Welt in so einem katastrophalen Zustand, darum hören die Kriege nicht auf, weil die einen meinen, ihnen gehöre alles und sie müßten auf niemand Rücksicht nehmen. Diese Demütigung stachelt die anderen zum Aufstand und zur Rache an. Diesbezüglich war nach dem 2. Weltkrieg der Marschall-Plan goldrichtig. Die Sieger halfen den Verlierern, ihr Land und ihre Wirtschaft wieder aufzubauen. Gleichzeitig habe es die Pflicht, anderen zu helfen. So sollte es auch nach Gottes Willen mit dieser Welt sein. Darum hat meines Erachtens den wertvollsten Song von Queen, wenn nicht überhaupt, Roger Taylor geschrieben: „Heaven for everyone“. So ist es und so sollte es von Anfang an sein. Ein ebenfalls wertvoller Titel, eigentlich sind es mehrere, dieses Album „Made in Heaven“ trägt meines Erachtens diesen Titel zurecht. Es scheint mir zumindest zum Teil göttlich inspiriert. Auch Brian’s Song „Two much Love …“ paßt gut dazu

  2. In den 70ern hörte ich im Radio die damals neu erschiene Single „Killer Queen“, die ich mir unbedingt zulegen musste. Queen waren damals wirklich die Hoffnung, das Erbe von Led Zeppelin zu übernehmen. Queen war bis zur LP „Jazz“ sehr gut, dann gings meiner Meinung nach bergab. „Radio gaga“ ist eine Scheibe auf Kindergartennieveau (kein Wunder, dass sie bald aus den Charts verschwand, das Video dazu war allerdings gelungen) und bei „I want to break free“ ist das Syntheziersolo, das schlimmste, was ich je gehört habe, allerdings finde ich das Video dazu „witzig“. Leider waren da Queen bereits am Ende.

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