Sängerin, Gitarristin und Songwriterin Melissa Etheridge über die Platten, Künstler und Shows, die sie nachhaltig beeindruckt haben.
„Gute Musik ist eben gute Musik“, meint Melissa Etheridge mit einem Schulterzucken, während sie darüber nachdenkt, was ihren persönlichen Soundtrack ausmacht. „ Ich bin für alles offen.“ Ihren Namen machte sich Etheridge in den 80er-Jahren in diversen Frauenkneipen in Los Angeles, nachdem sie sich zuvor ihre Sporen damit verdient hatte, in Gefängnissen und Altenheimen in Leavenworth, Kansas aufzutreten. Ihre einzigartige Vermischung von Heartland Rock, Roots, Folk und LGBT-Aktivismus zementierte ihren Ruf. Jüngst veröffentlichte sie ihr neues Album ONE WAY OUT, eine Sammlung an
kernigen, energetischen Songs, die bereits in den 80ern und 90ern entstanden sind, es bisher jedoch nicht auf ein Album geschafft haben . Außerdem macht sie beim ersten „Rock And Roll Fantasy Camp“ mit, das ausschließlich für Frauen gedacht ist und wo sie neben Nancy Wilson und Orianthi unterrichten wird.
DIE ERSTE MUSIK, AN DIE ICH MICH ERINNERE
Die Beatles. Ich weiß noch ganz genau, wie ich drei Jahre alt war und im Hof meines Nachbarn
stand. Ich hatte ein Transistorradio, das meine Schwester mir kurz in die Hand gedrückt hatte,
und die wunder vollsten K länge er tönten . Das mussten Engel sein und sie sangen „ I wanna
hold your hand “. Ich dachte mir nur : ‚Was ist das?‘
DER ERSTE SONG, DEN ICH JE LIVE GESPIELT HABE
Als ich in der fünften Klasse war, hatte ich gerade damit begonnen, zum Spaß Songs zu schreiben. Sie waren sehr einfach gestrickt und meine Großmutter hörte sie sich immer an. Als sie starb, schrieb ich ein Lied, das etwas tiefer ging, ich nannte es ›Lonely As A Child‹. Es war eine Art Anti-Kriegslied. Ich sang es meinen Freunden vor und sie meinten nur: ‚Hey, in der Plaza ist ein Talentwettbewerb.‘ Ich machte mit und hatte sofort Feuer gefangen.
DAS BESTE ALBUM ALLER ZEITEN
In meinem Leben hatten zwei Platten einen sehr großen Einfluss auf mich und die Musik im Allgemeinen. Eine davon ist Carole Kings TAPESTRY, die andere BORN TO RUN von Bruce Springsteen. Wenn ich mich auf eine festlegen müsste, würde ich wohl die Platte von Springsteen wählen, weil sie meiner Meinung nach den nachhaltigsten Einfluss auf die Welt und mein Leben hatte. Ich wollte die Leute genauso erreichen, wie es dieses Album tat. Die Texte, die Melodie, die Produktion – einfach alles!
DER GITARRENHELD
Meine Gitarrenhelden unterscheiden sich bestimmt von den Helden anderer, weil ich das eher von einer Rhythmus-Warte aus betrachte. Was Richie Havens mit seiner Akustikgitarre anstellte, kann niemand sonst. Auch Keith Richards ist großartig, ich liebe seine R’n’B-Spielweise.
DIE STIMMEN
Otis Redding und Aretha Franklin. So muss es klingen. Wenn Otis Redding ›I’ve Been Loving You Too Long‹ sing t, schwebt deine Seele zu ihm hinauf.
DIE SONGWRITERIN
Joan Armatrading konnte Songs so schmieden, dass sie dich überraschen. Sie brach alle die Regeln um Refrain und Strophe und trotzdem summte man die Lieder mit und sie blieben im Kopf. ›Love And Affection‹ ist einer der perfektesten Songs überhaupt. Und wie sie textet! Einen ihrer Songs namens ›The Weakness In Me‹ covere ich und alle Worte in dieser Geschichte, die davon erzählt, wie man zwei Menschen gleichzeitig lieben kann, sind perfekt aneinandergenäht. Joan ist ehrlich, interessant und unterhaltsam.
DAS BESTE LIVEALBUM
FRAMPTON COMES ALIVE. Das kriegt mich einfach. Es ist so gut gemacht, es brachte mich zum
Rock’n’Roll. Und dann diese großen Gitarrensoli in der Mitte.
MEIN SAMSTAGABEND/ PARTYSONG
Ich liebe es, zu ›Blame It On The Boogie‹ von den Jacksons zu tanzen. Das holt mich total ab, auf der Tanzfläche bin ich ziemlich oldschool.
MEIN „IN STIMMUNG“-SONG
Ha, davon gibt es einige. Santanas ›Europa‹. Oh, das ist eine gute Nummer, ja, die bringt es immer.
DER SONG, DER MICH ZUM WEINEN BRINGT
Immer wenn ich einen Country-Sender anmache, weine ich am Ende. Aber ein Classic-Rock-Song, der mich zum Heulen bring t? Ich nehme ›Everybody Hurts‹ von R.E.M.
DIE BESTE PLATTE, DIE ICH JE GEMACHT HABE
Da wähle ich mein Debüt, weil ich am längsten daran gearbeitet habe und zehn Songs aus zahlreichen auswählen konnte. Und jeden davon kann ich heute noch auf Konzerten spielen, sie haben sich gut gehalten.
DIE SCHLECHTESTE PLATTE, DIE ICH JE GEMACHT HABE
Da würde ich sogar zwei erwähnen. Einmal mein drittes Album NEVER ENOUGH. Damals war ich auf persönlicher und musikalischer Ebene irgendwie verloren, ich ging unter in den frühen 90ern und der Grunge-Bewegung. Das waren seltsame Zeiten, ich experimentierte viel, was halbwegs funktionierte,
aber ich glaube, ich hätte das besser gekonnt. Das andere ist mein unbekanntestes Album, FOURTH STREE T FEELING von 2012. Ich denke, einige der Songs waren einfach noch nicht fertig. Wäre ich da mit meinem heutigen Mindset rangegangen, würde die Platte ganz anders klingen.
DER SONG, DER BEI MEINER BEERDIGUNG LAUFEN SOLL
Den habe ich bisher noch nicht geschrieben, werde das aber in ein paar Jahren aufholen. Wenn ich das nicht mehr schaffen sollte, dann ›In Your Eyes‹ von Peter Gabriel.