In den 80ern prägten sie den Underground-Rock von Los Angeles, ihr Album MEDICINE SHOW hat Kultstatus. Die Rede ist natürlich von The Dream Syndicate. 2017 brachte die Band nach 29 Jahren Pause wieder eine Platte heraus, jetzt kommt der Nachfolger THESE TIMES. Sänger und Songschreiber Steve Wynn verrät uns, woher er seine Inspiration bezieht.
Aufgezeichnet von: David Numberger
Television
MARQUEE MOON
1977
Das Album, mit dem ich immer starten werde. Sogar nach 40 Jahren höre ich immer wieder neue Sachen darauf. Es ist für mich, als würde man unter die Motorhaube eines perfekt gebauten Autos schauen, oder eine Uhr öffnen, um zu bewundern, wie sie zusammengesetzt wurde. Der Sound von vier Leuten, die zusammen Musik spielen, in der jedes Teil ein anderes nach sich zieht, die nicht anders hätte gemacht werden können. Es hat nichts Überflüssiges an sich und fühlt sich dennoch frei an. Und es ist der Blueprint dafür, wie zwei Gitarren zusammenspielen können. Auch Werke von Neil Young & Crazy Horse fallen in diese Kategorie, oder von Dream Syndicate, aber das beste Beispiel für diese Machart ist MARQUEE MOON.
Miles Davis
JACK JOHNSON
1971
JACK JOHNSON ist in den frühen 70ern entstanden und ich liebe es sehr. Und mal ganz davon abgesehen, dass es von Miles Davis kommt und aus zwei Songs, zwei Stücken besteht, die dich in einen abgedrehten Traumzustand versetzen: Das Gitarrenspiel von John McLaughlin ist fantastisch. Es erinnert mich an Pete Townshend. Als hätte der auf einer Platte von Miles Davis gespielt. Jeder Akkord klingt, als würde er fluchen, als würde er einer unangenehmen Person sagen, was er von ihr hält. Und was wir auch mit Dream Syndicate versucht haben: Das Ganze nimmt dich mit auf eine emotionale psychedelische Reise – ohne Angeberei. Einfach eine Band, die den Augenblick nutzt und der Stimmung folgt, wohin auch immer die sich bewegt.
Spiritualized
LADYS AND GENTLEMEN
WE ARE FLOATING IN SPACE
1997
Ich liebe es. Soweit ich gelesen habe, hat es viel Geld und Zeit gekostet – und es ist einer der Fälle, die klingen, als wäre das alles gerechtfertigt. Ich bin im Allgemeinen kein Fan von großen, aufgeblasenen, pompösen, verschwenderischen, verfetteten, protzigen Alben. Aber hier klingt all das positiv, es ist orchestral und gigantisch, irgendwo zwischen Phil Spector und Vivaldi. Einfach schön. Neben MARQUEE MOON ist es so nah dran an einer perfekten Platte, wie man nur sein kann. Alles ist genau so, wie es sein muss. Sehr emotional, sehr düster, sehr hoffnungsvoll. Sehr verloren und bei sich zugleich.
The Rolling Stones
EXILE ON MAIN STREET
1972
Es gibt Platten, die funktionieren als Ganzes, die nehmen dich auf eine Reise mit. Dazu gehört diese. Ein Klassiker. Die Presse mochte es damals nicht, in der Entstehung war es nicht einfach und nach STICKY FINGERS, einem prägnanten Hit-Album, wurde es als Enttäuschung gesehen. Ich liebe es sehr, denn du tauchst in diese Welt ein: Was immer sie durchmachten, welche Drogen, welche Desillusionen, welche Konflikte untereinander – du bist dort mit ihnen. Du kannst dich gehen lassen. Und das ist schwer heute, wo wir alles nur noch schnell absorbieren und sofort weiterziehen. EXILE rechtfertigt Hingabe: Wenn du rumhängen und Drogen mit Keith Richards nehmen willst, das ist ein sicherer Weg, das zu tun.
J Dilla
DONUTS
2006
2006 entstanden, besteht es aus ich weiß nicht wie vielen kurzen Stücken, als käme es von einem DJ oder Soundtrack-Musiker. J Dilla spielt keine Note selbst, er singt kein Wort, aber indem er die Musik anderer kuratiert, sie zerschneidet, neu zusammensetzt, verkürzt und verlängert, erzählt er seine dunkle Geschichte: Er würde sterben und er wusste es. Er machte dasselbe, wie Bowie mit BLACKSTAR. Oder Mozart und Leonard Cohen. Sie wussten, dass ihre Zeit um war, und versuchten, das irgendwie mithilfe der Kunst zu erfassen. J Dilla hat Angst, er ist traurig, er will es nicht wahrhaben – und er lässt all das raus. Und es ist trotzdem angenehm, sich das anzuhören. Eine mühelose, kleine Reise in sein Bewusstsein.