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Paul Stanley: Wer ist er wirklich?

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Paul Stanley: Wer ist er wirklich?

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2002, am Ende der zweiten Reunion-Tour, hatten Stanley und Gene Simmons wirklich beabsichtigt, die Band endgültig aufzulösen. Bis (und das klingt jetzt ziemlich unglaublich) ein Angestellter der Autowaschanlage, die Stanley oft nutzt, ihm sagte, sie sollten das nicht tun und stattdessen vielleicht einfach nur Peter Criss und Ace Frehley Lebewohl sagen. „Das verstand ich als Zeichen, also taten wir dann exakt das.“

Er scheint sich heute auch besser mit Simmons zu verstehen. Die Zeiten sind vorbei, in denen er Dinge sagte wie: „Gene wohnt ganz in der Nähe. Sein Ego ist so groß, dass ich es von hier aus sehen kann“. Heute sind seine Kommentare wesentlicher wohlgesonnener. „Gene ist mein Bruder. Er wohnt die Straße runter. Und wir mögen einander so gerne, dass wir einander aus dem Weg gehen. So kitschig das auch klingen mag, sind wir uns nicht zu fein, einander per SMS unsere Wertschätzung auszudrücken. Wir haben beide ein Leben, das wir anfangs vielleicht nicht angestrebt hatten, aber wir haben es geschafft, ein Leben zu erreichen, das uns glücklich macht. Hätte man ihm vor 30, 40 Jahren erzählt, wo er landen würde, hätte er es schlicht und einfach nicht verstanden. Aber man muss sich weiterentwickeln. Und findet dabei vielleicht heraus, dass das Ziel ein anderes ist als das, das man ursprünglich im Auge hatte.“

Was ebenfalls auffällt in Stanleys Haus ist die fast völlige Abwesenheit von Kiss-Memorabilia, außer einem Flipperautomaten, der irgendwo im Eck steht. „Wir spielen alle damit. Er ist super. Ich würde nichts von dem anderen Zeug in meinem Haus haben wollen, aber das … Ich weiß, wer ich bin, was ich getan habe. Ich muss nicht ständig daran erinnert werden.“

Ansonsten gibt es nur wenige Anzeichen dafür, dass hier der Leadsänger der Band wohnt, die laut einer Gallup-Umfrage 1977 die größte der Welt war. Auf einem antiken Holz-Beistelltisch stehen gerahmte Fotos von ihm, seiner Familie, Paul McCartney und von ihm mit Jimmy Page, damals wie heute sein wahrer musikalischer Held. Als sein iPhone läutet, durchschneiden die un­­verkennbaren ersten vier Noten von Led Zeppelins ›Good Times Bad Times‹ die Stille im Raum. „Hast du das gehört?“, fragt er.

Im Eingangsbereich hängt ein abstraktes Gemälde mit dem Titel „Crossroads“, das er selbst gemalt hat. Es ist bemerkenswert gut und erinnert an Picassos afrikanische Phase, wenn der Spanier mehr Grundfarben als Erdtöne verwendet hätte. „Ich habe auch eins für Jimmy gemalt. Bei ihm hängt es auch am Eingang“, sagt er stolz.

Wir setzen unseren kurzen Rundgang durch den Rest des Hauses fort. Seine Lacklederschuhe quietschen kurz, als er vom Teppich auf das Holzparkett tritt, dessen Spiegelglanz das Licht des frühen Nachmittags einfängt. Er bemerkt, wie ich sie ansehe, und sagt abwehrend: „Was? Ich mag Lackleder“. Ein kleiner, menschlicher Moment. Quietsch, quietsch, quietsch, quietsch. Wir gehen vom Familienzimmer in das formellere Wohnzimmer, in dem ein glänzend schwarzer Flügel steht. „Kannst du …“, beginne ich zu fragen. „Nein, ich kann nicht spielen“, erwidert er, bevor ich die Frage zuende gestellt habe, und sticht mich aus in einem Gespräch, das sich mehr und mehr wie eine schnelle Pingpong-Partie und weniger wie ein richtiges Interview anfühlt.

Wir folgen der natürlichen Form des Hauses in ein großes Esszimmer mit einem Kristallleuchter und einem Wandgemälde, das von Michelangelo stammen könnte – luftig, überirdisch, mit Engelchen und Wolken, die glückselig auf einem zitronengelben Hintergrund schweben. Auf dem riesigen Esstisch, der aussieht wie aus „Game Of Thrones“, steht ein Monopoly-Brett, auf dem zwei Spieler ohne echtes Ergebnis das Handtuch warfen. Ein passendes Spiel für die Kinder eines Mannes, dessen Vermögen sich auf über 200 Millionen Dollar beläuft.

„Nein, nein, meine Kinder sind nicht verwöhnt“, entgegnet er. „Evan verkaufte mal an einem Stand auf der Straße Gemüse und war Lieferjunge für einen Lebensmittelladen. Ich habe mich mal mit einem sehr erfolgreichen Arzt unterhalten, der mich fragte: ‚Wie vermitteln wir unseren Kindern den Hunger auf Erfolg, wenn sie schon alles haben?‘ Ich sagte ihm, man könne nicht seine eigene Kindheit nachbilden, das wäre künstlich. Als würde einem der eigene Großvater sagen: ‚Als ich in deinem Alter war, hatte ich keine Schuhe, um in die Schule zu gehen‘. Nun, ich habe Schuhe. Ich bin nicht in einem Haus wie diesem aufgewachsen – ich war Taxifahrer –, aber das heißt nicht, dass meine Kinder nicht die Werte haben können, die sie dazu inspirieren, ihre eigenen Erfolge zu erreichen.“

Quietsch, quietsch, quietsch, quietsch …
Wir gehen durch einen hohen Raum nach dem nächsten. Es gibt keine Türen oder Abtrennungen zwischen ihnen, es ist einfach eine wunderbare, ausladende Wohnwelt, die in einer hellen, geräumigen Küche mit hochwertigem Restaurantherd endet. Töpfe und Pfannen sind durcheinander in den Schränken gestapelt. Schubladen sind nicht ganz zu, in einer Ecke liegt ein Haufen gebrauchter Ziploc-Beutel, und eine geschnitzte Kommode ist mit Zeitungen vollgestopft.

Paul Stanley kocht

Vieles davon erkennt man tatsächlich wieder von den Bildern seiner selbstgekochten Mahlzeiten, die Stanley auf Twitter postet. So wie letzten Herbst: „Ich improvisiere mal eben unser Abendessen. Hühnchen pizzicata, aber ich weiß nicht, wie das geht.“ Und dann: „Keine Sauce? KEIN PRO­BLEM! Hier ist meine Pizza mit Olivenöl, Kirschtomaten, Parmesan und Rosmarin. AWESOME!! @FoodNetwork @FoodChannel“. Tatsächlich kocht Stanley auf hohem Gourmet-Niveau, zaubert auf dem Hallmark Channel Rosenkohl mit Schinken oder mariniertes Huhn, tweetet die Food-Network-Köche Scott Conant oder Alex Guarnaschelli an oder gibt auf den Kiss Kruises seine Künste zum Besten.

„Als ich 2001 [nach seiner Scheidung von Schauspielerin Pam Bowen] zum alleinerziehenden Vater wurde, fing ich an, selbst zu kochen. Ich bin ziemlich gut darin, vor allem italienische Küche, und habe draußen sogar einen Pizzaofen.“ Es gibt Videos, die seine Fingerfertigkeit belegen und ihn zeigen, wie er einen Teigfladen, der etwa doppelt so groß wie sein Kopf ist, rotieren lässt und einen Meter in die Luft wirft. „Meine Finger waren schon überall“, sagt er mit einem anzüglichen Grinsen in die Kamera, „und haben vielen Menschen viel Freude bereitet.“

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