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Paul Stanley: Wer ist er wirklich?

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Paul Stanley: Wer ist er wirklich?

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In dieser geografisch begehrten Stadt liegt das Anwesen in einer der geografisch begehrtesten Lagen. Blickt man über die von Säulen eingefasste Loggia hinaus, sieht man den Pazifik. In der anderen Richtung er­­kennt man die Haarnadelkurven des Mulholland Drive, wo die Hollywood-Draufgänger Steve McQueen und James Dean oft und gerne durch die Serpentinen rasten, diverse Beinahe-Katastrophen inklusive.

Der Abschnitt der berühmten Straße, an dem Stanley wohnt, heißt seit etwa 30 Jahren „Bad Boy Drive“ – benannt nach den Exzessen und der schieren Mutwilligkeit dreier notorischer Unruhestifter: Marlon Brando, Jack Nicholson und Warren Beatty in seinen Junggesellentagen. Bis vor 20 Jahren hätte dieser Begriff auch auf Stanley gepasst. Ex-Freundinnen beklagen bis heute seine Untreue, doch daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Während der ruhmreichen Zeiten bei Kiss waren sein Zuhause und vor allem sein Bett wie ein Umsteigebahnhof für „Penthouse“-Miezen und „Playboy“-Pin-ups.

„Ich weiß noch, wie ich mal bei meiner Mom war und ihr von einem Mädchen erzählte, mit dem ich damals ausging“, erinnert er sich vom Rand einer beigen Samtcouch im Wohnzimmer. „Sie schien nicht zu wissen, von wem ich sprach, also sagte ich: ‚Du weißt schon, die und die. Sie ist blond und hat große Möpse‘. Sie sah mich an und antwortete: ‚Alle deine Freundinnen sind blond und haben große Möpse‘. Es machte mir immer großen Spaß, meine Eltern zu provozieren, indem ich ihnen von meinem Lebenswandel berichtete, von dem sie entsetzt waren“, fährt er lachend fort, „aber irgendwann wirkte das nicht mehr.“

Doch seit er seine zweite Ehefrau Erin Sutton im Ago‘s kennenlernte, einem Nobelrestaurant in West Hollywood, zu dessen Eignern auch Robert De Niro zählt, liegen seine Casanova-Zeiten hinter ihm. Sie heirateten 2005 und haben drei gemeinsame Kinder. „Erin war ein Geschenk des Himmels. Ich sage immer, wenn ich einen Beweis dafür bräuchte, dass es einen Gott gibt, dann ist es die Tatsache, dass ich ihr begegnet bin.“

Wie auf Befehl kommt Erin, 20 Jahre jünger als er, in den Raum, nachdem sie das jüngste der Kinder, die fünfjährige Emily Grace, vom Kindergarten abgeholt hat. (Die anderen Sprösslinge sind der 22-jährige Evan aus Pauls erster Ehe mit Pam Bowen, der zehnjährige Colin sowie die achtjährige Sarah.) Das Paar besucht normalerweise dasselbe Kardio-Barren-Training, eine äußerst an­­spruchsvolle Session, bei der er oft der einzige Mann ist. Stanley hat mal ein paar Selfies von sich auf einer Yogamatte gepostet: „Hatte gerade Kardio-Work­­out mit Erin und anderen Frauen. Mein Ego treibt mich an, durchzuhalten. Mann! Wieso schwitze ich so?“ In einem weiteren Instagram-Post jammerte er: „10:30 Uhr, das Training ist vorbei. Am Boden. Fazit? Warten ist NICHT der schwierigste Teil. @tompetty #exercise.“
Das Erste, was einem an Paul auffällt ist, wie dünn er ist. „Rock‘n‘Roll hat nie etwas für den dicken Jungen übrig“, sagte er mir schon vor mehr als 20 Jahren. Mit 65 hat er dieses Motto etwas abgewandelt: „Niemand will einen fettleibigen Rockstar in Strumpfhosen sehen“. Und wohl auch nicht in jeglicher anderen Freizeitkleidung. An diesem kalten, regnerischen Wintermorgen trägt er schwarze Levi‘s 511s, ein schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt und Lacklederschuhe, dazu einen atavistischen Silberanhänger um den Hals, der primitive glückbringende Kraft zu besitzen scheint. „Ist der von Chrome Hearts?“, frage ich, jener teuren Schmuckmarke, zu deren Fans auch Stars wie Steven Tyler, Lenny Kravitz, Cher und Karl Lagerfeld zählen. „Nein!“, antwortet er entsetzt. „Wenn du was von Chrome Hearts kaufst, hast du zu viel Geld.“

Stanley geht sehr umsichtig mit seinem Wohlstand um. Bei Be­­nefizveranstaltungen oder Preisverleihungen trägt er Brioni oder Varvatos, aber ansonsten ist er immer in Jeans, T-Shirts und Turnschuhen – immer mit schwarzen Sohlen – zu sehen. Er kauft selbst im nahe gelegenen, alles andere als vornehmen Supermarkt Ralph‘s ein und fährt einen dezenten, schwarzen SUV. Es gibt Fotos von ihm mit Mütze und T-Shirt, auf denen er in einer Hand einen Starbucks-Becher hält und mit der anderen dem Fotografen den Stinkefinger zeigt.

Bei aller Manierlichkeit, den perfekten Zähnen und der kostspielig perfekt frisierten Mähne steckt aber immer noch viel von dem Typen aus Queens in ihm, der Rockstar werden wollte, ebenso wie zahllose andere Teenager und Kinder, als sie zum ersten Mal die Beatles im Fernsehen sahen. Stanley ist einfach nur einer der wenigen, denen es dann auch gelungen ist, angetrieben von der Vorstellung, der Erfolg sei ein Allheilmittel gegen sein mangelndes Selbstwertgefühl, als er noch klein war. Der Grund dafür war vor allem ein Geburtsfehler namens Mi­­krotie. Sein rechtes Ohr war missgebildet und auch sein Gehör auf der rechten Seite war beeinträchtigt. Im Klassenzimmer konnte er nicht erkennen, aus welcher Richtung Geräusche kommen. So versank er in einem tiefen Loch der Verzweiflung und wurde unablässig gehänselt. Bei Intelligenztests schnitt er glänzend ab, doch weil er nicht verstehen konnte, was seine Lehrer sagten, hatte er schlechte Noten. Seine Klassenkameraden nannten ihn „Stanley, das einohrige Monster“, also zog er sich zurück und hatte kaum Freunde.

„Das war nicht so, wie wenn man ein Hemd anzieht, das man nicht mag, und es dann ausziehen konnte, wenn man nach Hause kam“, erklärt er. „Ich konnte nicht nach Hause gehen und mich umziehen. Ich musste einfach damit leben.“ Zumindest, bis die Beat­les und Byrds aufkamen und die Mode dahingehend beeinflussten, dass Männer nun auch lange Haare haben durften. Jahrelang wusste niemand etwas von seinem Problem, nicht mal seine Bandkollegen. „Ich glaube, wir können unsere Geheimnisse nicht offenbaren, bis wir uns wohl damit fühlen. Wenn man diesen Punkt dann erreicht hat, kommt das ultimative Freiheitsgefühl daher, dass man sich selbst befreit von den Dingen, die man versteckt.“

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