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Making of: David Bowie – Low/ Heroes

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Making of: David Bowie – Low/ Heroes

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david bowie 2013bVier Alben und die Erlösung. Kein schlechtes Jahr.

Ich habe immer noch dieses Ding, wenn ich in ein Land oder in eine Situation komme, wo ich mich in Gefahr begeben muss, ob emotional, geistig oder physisch“, sagt David Bowie 1977. „In Berlin zu wohnen… ich zwinge mich dazu, innerhalb der Beschränkungen dieser Stadt zu leben.“

Ende 1976 war David Bowie in Westberlin dabei, zwei Alben fertigzustellen: sein eigenes LOW und das Solodebüt seines Freundes Iggy Pop, THE IDIOT. Nachdem er Los Angeles verlassen hatte, um sowohl dem US-Musik-Business als auch seiner Kokainsucht zu entkommen (die wiederum seine Paranoia und sein Interesse an Okkultem befeuert hatte), wollte Bowie sich irgendeiner Form von Normalität annähern. Und suchte sich dafür ausgerechnet Europas surrealsten Ort aus: Eine ehemalige Hauptstadt, die auf der einen Seite einer großen Mauer von Geheimdienstlern, Kommunisten und eingesperrten Einheimischen bewohnt wurde, auf der anderen von Junkies, Außenseitern und Künstlern.

Er läutete das Jahr 1977 ein, indem er seinen 30. Geburtstag mit Iggy und Alkohol in einem Nachtclub feierte. Und er beendete es, indem er im US-Fernsehen mit Bing Crosby Weihnachtslieder schmachtete. Dazwischen nahm er Abschied von seinem ersten ernsten Konkurrenten und besten Freund, Marc Bolan, verbrachte viel Zeit im Studio und veränderte die Popmusik für immer.

Nachdem er LOW größtenteils in Frankreich mit Tony Visconti aufgenommen hatte – vermutlich das einzige Album mit Beiträgen von Brian Eno, Iggy Pop und der Eurovisions-Sängerin Mary Hopkin (damals Viscontis Frau) –, hatte Bowie einen neuen Weg gefunden, Musik zu machen, ebenso wie eine neue Musik. Er hatte Ziggy Stardust hinter sich gelassen, Aladdin Sane und vor allem den Thin White Duke – jenen faschistoiden, leicht Kabbalah-beeinflussten Rockdämon, der seine bisher entmenschteste Figur darstellte. LOW hatte auch Amerika hinter sich gelassen: Seine Synthie-Flächen, emotionslosen Vocals und spröder Funk hatten wenig mit Rock und Soul zu tun, dafür umso mehr mit der Zukunft. Im Vordergrund stand dabei Viscontis jüngste Anschaffung, ein Eventide H910 Harmonizer-Pitch Shifter, den der Produzent Bowie und Eno mit den berühmten Worten „It fucks with the fabric of time“ („es fickt das Zeitgefüge“) verkaufte.

Einfallslose Kritiker bezeichnen LOW manchmal als seelenlos oder leer, als ob Musik kein Gefühl besäße, wenn man nicht beim Singen weint. Bowie selbst sagte: „Es gibt jede Menge Schmerz auf LOW. Das war mein erster Versuch, vom Kokain loszukommen, und das war verdammt schmerzhaft.“

THE IDIOT war noch weiter. Dank Pops brillanter Texte waren Stücke wie ›Sister Midnight‹ und ›Nightclubbing‹ sowohl sexy als auch sinister, unheilvoll und aufregend, während ›Dum Dum Girls‹ einen düsteren Abgesang auf die Stooges lieferte und ›China Girl‹ („visions of swastikas in my head“ – Visionen von Hakenkreuzen in meinem Kopf) 1983 in einer Coverversion von Bowie zum Hit wurde. Am bemerkenswertesten ist vielleicht, dass Bowie und Iggy – ein Mann, der in vielerlei Hinsicht die wohl extremste Verkörperung von amerikanischem Rock ist – eines der großen europäischen Alben erschufen. Auch wenn, wie Bowie es formulierte, „der arme Jim in gewisser Weise zum Versuchskaninchen wurde für das, was ich mit Musik erreichen wollte“.

Nach einer kurzen US-Tour kehrten Iggy und Bowie nach Berlin zurück, wo sie unglaublicherweise ihr drittes Album in jenem Jahr machten, LUST FOR LIFE. Diesmal hielt Pop die Zügel in der Hand. Wie der Titel suggeriert, ist es Rock, aber eine andere Art von Rock. „Weißt du, Bowie ist einfach ein höllisch schneller Typ“, sagte Pop. „Mir wurde klar, dass ich schneller als er sein musste, denn wessen Album würde es sonst sein? Die Band und Bowie verließen das Studio, um schlafen zu gehen, aber ich blieb.“ Wieder sollte Bowie einen Hit mit einem Stück von dem Album haben: ›Tonight‹, minus dem furchteinflößenden gesprochenen Intro von Iggy, aber plus Tina Turner.
Nach einer kurzen Pause (für Kaffee und Sandwiches?) fanden sich Bowie, Visconti und Eno erneut zusammen ein, um noch ein Album zu machen. HEROES ist ein weniger skizzenhaftes, fokussierteres Album als LOW und beinhaltet in seinem Titelstück einen der besten Bowie-Songs. Seine Experimentierfreude wurde fortgeführt durch den Gebrauch von Enos willkürlichen „Oblique Strategies“-Karten und, wie bei LOW, einer Seite von Instrumentalstücken.

Nach Fertigstellung seines vierten Albums in zwölf Monaten erschien Bowie in Marc Bolans Fernsehsendung „Marc“. Bolan fiel bei den Aufnahmen von der Bühne, was Bowie freudig mit „Oh, that’s really Polaroid!“ kommentierte. Diese Wiedervereinigung der beiden sollte allerdings nicht lange anhalten – Bolan kam noch im selben Monat bei einem Autounfall ums Leben. Bowie nahm außerdem für eine Sondersendung ›Peace On Earth/Little Drummer Boy‹ mit Bing Crosby auf. „Ich fragte mich, ob er wohl noch am Leben sei“, sagte Bowie 1999 zu mir. „Er war einfach…nicht da. Er war überhaupt nicht da. Und er sah aus wie eine kleine, alte Orange, die auf einem Hocker sitzt. Es war eine höchst bizarre Erfahrung.“ Im November ging er mit seinem Sohn auf Safari in Kenia, im Dezember war er Trauzeuge für seinen Chaffeur, und das war’s. Ach ja, da war noch die Nacherzählung von Prokofievs PETER UND DER WOLF auf LP, womit er eigentlich sogar fünf Alben in einem Jahr machte.

Aber das war’s wirklich für 1977. In diesen vollgestopften zwölf Monaten wurde Bowie von einem sich erholenden L.A.-Rockstar, der in einem ewigen Sunset Boulevard der Seele gefangen war, zu jemandem, der die Populärmusik für die nächsten zehn Jahre verändern sollte. Die introspektive Musik auf LOW, HEROES und THE IDIOT war tatsächlich sein Weg, aus sich selbst heraus zu finden. Und ein Mann, der von Drogen und Erfolg fast zerstört worden war, wurde ausgerechnet von Kunst und Intelligenz gerettet. Am besten jedoch war, dass ein radikaler Ortswechsel eines Mannes, der behauptete, er baue ständig denselben Autounfall, zu vier der großartigsten Alben aller Zeiten führte. Was für die meisten Künstler die Früchte einer langen und erfolgreichen Karriere wären, schaffte David Bowie in einem einzigen Jahr. Und was für einem.

Veröffentlichungsdatum
LOW: 14. Januar 1977
HEROES: 14. Oktober 1977


Label
RCA


Mitwirkende
David Bowie (Gesang, Produzent)
Brian Eno (ver. Instrumente)
Carlos Alomar (Gitarre)
Dennis Davis (Percussion)
George Murray (Bass)
Robert Fripp (Gitarre auf HEROES)
Tony Visconti (Produzent)


Pressestimme zu HEROES
„Ein kaltes, manchmal recht unzugängliches Album.
Doch Bowie schafft es, dass all diese scheinbar nicht zusammenpassenden Zutaten doch harmonieren.“

(ZigZag)

David Quantick

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