Nicht die Original-Wüste, aber dennoch ein würdiger Höhepunkt des holländischen Roadburn-Festivals.
Meist sind es nur die Headliner, die ein Festival attraktiv machen. Doch es gibt auch Events, bei denen es gerade die kleinen, bislang unentdeckten Bands sind, die für Charme und Flair sorgen. So auch bei Roadburn, einem Drei-Tages-Festival im niederländischen Tilburg, das in diesem Jahr sein 15. Jubiläum gefeiert hat. Über 70 Bands sollten eigentlich auftreten, verteilt auf vier Konzerthallen, von denen jedoch drei im selben Gebäudekomplex vereint sind. Aufgrund des Vulkanausbruchs mussten zwar viele US-Künstler ihre Shows absagen, darunter Shrinebuilder und Candlemass. Doch mit viel Improvisations- und Organisationstalent ist es den Veranstaltern gelungen, dennoch ein abwechslungsreiches Riff-Programm zusammenzustellen. Das Besondere am Roadburn ist – neben der Vielzahl der Bands – auch die Zusammensetzung des Publikums: Von Al-ternative-Fans über Metaller, Stoner und Indies bis hin zum Classic Rocker ist alles vertreten.
Während für die Ultrahart-Fraktion vor allem die Gigs von Enslaved und Triptykon, der neuen Band des ehemaligen Celtic Frost-Chefs Tom Gabriel Fischer, interessant sind, ist die Rock-Fraktion vor allem auf den ersten (großen) Gig von John Garcia gespannt, der – mit neuer Band – seine alten Kyuss-Hymnen wiederaufleben lassen will.
Dementsprechend voll ist es auch bei der Show in der größten Halle des Clubs 013, in dem das Festival stattfindet. Rund 1.500 Fans sind gekommen, um zu erkunden, ob Kyuss hauptsächlich von Garcias Stimme geprägt sind oder die Magie der Band doch durch mehr bestimmt wird als die reine Summe der Töne. Unterstützt wird der Kalifornier nämlich von einer komplett neuen Begleit-Band, bestehend aus dem Belgier Bruno Fevery (Gitarre) und den beiden Holländern Jacques de Haard (Bass) und Rob Snijders (Drums). Die Drei kommen auch als Erste auf die Bühne und starten das Set mit ›Molten Universe‹, bevor Garcia zu ›Thumb‹ die Bühne betritt.
Und ja, der Groove ist da, die Beine zucken – selbst wenn es manchmal wo wirkt, als wären die Songs einen Tick zu schnell. Das jedoch liegt jedoch vermutlich daran, dass die Musiker allesamt weitaus nüchterner sind, als Kyuss das bei ihren Shows vor 15 Jahren waren. Garcia selbst wirkt abgeklärt, bis auf eine kleine Textpanne ganz zum Ende des Gigs hat er die Songs aber perfekt einstudiert – die Lern-Lektionen seiner Ehefrau sind also von Erfolg gekrönt.
Doch im Grunde hätte er sich die Mühe sparen können: Die Fans singen ohnehin jede Zeile mit, natürlich bei den BLUES FOR A RED SUN- und SKY VALLEY-Songs ein wenig lauter und einstimmiger, aber auch ›El Rodeo‹ wird bejubelt. Auf WRETCH-Stoff wartet die Menge zwar vergeblich, dafür wer-den ›100 Degrees‹ oder das großartige ›Gardenia‹ umso warmherziger begrüßt. Der ›Demon Cleaner‹ holpert zwar ein wenig, doch spätestens bei ›Allen’s Wrench‹ mit Ben Ward von Orange Goblin als Unterstützung und natürlich ›Green Machine‹ gibt es kein Halten mehr: Tilburg steht Kopf – und rastet bei den Zugaben ›Spaceship Landing‹ und Slo-Burns ›Pilot The Dune‹ noch einmal komplett aus.
Das Experiment ist also geglückt: Und selbst wenn eine Reunion im Original-Line-up vielleicht mehr Wüsten-Flair verbreitet hätte – möglich wäre sie im Moment ohnehin nicht, von daher ist Garcia Plays Kyuss nicht nur eine legitime, sondern auch stimmige und adäquat umgesetzte Riff-Sache.
Petra Schurer