0,00 EUR

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

0,00 EUR

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

KRAUTROCK SPECIAL VOL.4 1973

-

KRAUTROCK SPECIAL VOL.4 1973

- Advertisement -

Birth ControlDie Wunden des verheerenden Terroranschlags während der Sommerspiele 1972 in München waren noch lange nicht verheilt, als Bundeskanzler Willy Brandt im Juni 1973 den ersten offiziellen Staatsbesuch eines bundesdeutschen Regierungschefs in Israel unternahm. Die deutsche Presse war sich einig wie selten: Dieser Besuch war überfällig und es hätte wohl keinen Besseren als den Versöhnungskanzler Brandt geben können, um diesen wichtigen Schritt zu machen.

Dem schreienden Unrecht der Nazi-Verbrecherbande widmeten sich auch Frumpy in ›Duty‹, einem Song über einen Deserteur, der von seinem eigenen Vater aus Angst verraten wird. Eine großartige Nummer mit ambitioniertem Text, der im krassen Widerspruch zur Kritik des Magazin „Sounds“ stand, das Frumpy noch im Jahr zuvor abqualifiziert hatte: „Es lebe die Langeweile.

Hoffentlich ist es Frumpy ernst mit dem am Ende der Platte geflüsterten ‚all will be changed’, denn eine totale musikalische Wandlung wäre wirklich angebracht.“ Nur zwölf Monate später wählte die gleiche Gazette Inga Rumpf zur „besten deutschen Sängerin“. Derlei Widersprüche waren an der Tagesordnung, sie zeigten die Ambivalenz, mit der deutsche Journalisten hiesige Bands beobachteten. Frumpy hatten es schwer, Rumpfs Nachfolgeband Atlantis dagegen etwas leichter, zumal die Mischung aus Soul, Funk und Rock der rauchigen Stimme der Hamburgerin wie auf den Leib geschneidert war. Doch auch Atlantis blieb überwiegend ein deutsches Phänomen, das im Ausland nur wenig Beachtung fand. Der Versuch, in Amerika ein Bein an Deck zu bekommen, scheiterte unter anderem an Ungereimtheiten zwischen der deutschen Plattenfirma und ihren amerikanischen Lizenzpartnern. Ulli Rützel, Hausproduzent und A&R-Scout der Phonogram sowie zuvor Produktmanager des „Ohr“- bzw. „Pilz“ Labels, erklärte frustriert: „Als Atlantis nach Amerika rübergingen, hatten wir mit den Amerikanern ausgemacht, dass sie 30.000 Platten pressen sollten; die haben aber nur 3.000 gepresst. Wie willst du das kontrollieren?“

Solche Probleme kannten Guru Guru nicht. Ihre rhythmischen Experimente und minutenlangen Improvisationen wurden im Ausland sowieso überwiegend als skurriler Krautrock belächelt, zumal die Band ihre Magie weniger auf Schallplatte als vielmehr in den Konzerten entfaltete. Zum Mittelpunkt ihrer feurigen Live-Performance entwickelte sich ab 1973 der ›Elektrolurch‹, ein schrilles Phantasiegebilde, bei dem Schlagzeuger Mani Neumeier mit selbstgebauter Maske und einer Nahkampfhose nach Art der Ringer um seine Percussion-Instrumente hüpfte wie ein Kannibale um den Feuerkessel, der voller Vorfreude seine Mahlzeit weichklopft. Dazu blies Neumeier mit einem Staubsauger überdimensionale Luftballons auf, schleppte Hühner auf die Bühne und scheuchte sie ins Publikum. Neumeier war die kreative Kraft hinter Guru Guru, er erfand die „Mani- Tom“, eine aufblasbare Trommel, die durch unterschiedlichen Luftgehalt in ihrer Tonhöhe variiert werden konnte.

Apropos Schlagzeug: In den ersten Monaten ihres Bestehens zählte zu den sieben Musikern der Berliner Formation Birth Control auch Schlagzeuger Hugo Egon Balder, der Ende der Achtziger als Fernsehmoderator der Striptease Show „Tutti Frutti“ wieder auftauchte. Balder verließ jedoch bereits nach wenigen Monaten Birth Control und wurde durch Bernd „Nossi“ Noske ersetzt. Mit ihrem provokativen Bandnamen bezogen die Musiker Stellung zu der von Papst Paul verkündeten Enzyklika humanae vitae, die u.a. Abtreibung strikt ablehnte. 1969 produzierte die Band ihr in einer Pillendose verpacktes Debütalbum und unterstützte anschließend Schlagersänger Michael Holm auf seiner Deutschlandtournee. Als das Zweitwerk OPERATION veröffentlicht wurde, weigerten sich Geschäfte, das Album in ihr Sortiment aufzunehmen, da die Plattenhülle den Papst zusammen mit einem babyfressenden Ungetüm zeigte. Die geänderte englische Fassung, auf der zwei riesige Kondome zu sehen waren, führte zu einem Streik der britischen Packerinnen. Die Tourneeplakate sorgten vor allem in der Schweiz für Aufsehen: Besorgte Moralhüter bildeten anlässlich einer Birth-Control-Konzertreise ein Kommitee, das vor dem Tourtross herfuhr, um die mit dem Plakat entweihten Bäume wieder zu säubern. Mit dem Song ›Gamma Ray‹ gelang Birth Control auf dem dritten Album HOODOO MAN ihr unbestrittener Klassiker. Der Anspruch der Band (Frenzel: „Wir legten bei den Kompositionen mehr Wert auf einen duften Rhythmus als früher“) kam bei Fans und Medien gleichermaßen gut an. Die Presse überschlug sich vor Begeisterung und empfand Birth Control als „explosivste deutsche Hard Rock Band“ (Oberpfälzer Nachrichten). Ähnlich turbulent wie die Anfangsjahre von Birth Control sah auch der Beginn von Curly Curve aus. Inspiriert von der Gebrauchsanleitung eines indischen Liebesringes gründeten der Berliner Sänger Heiner Pudelko (ab 1979 bei Interzone) und Bassist Kurt Herkenberg im Herbst 1968 eine Bluesband. Im Sommer 1969 stieß der spätere Atlantis/Lake-Gitarrist Alex Conti zur Gruppe, doch ohne festes Konzept löste sich diese Formation wenige Monate später wieder auf. Im Frühjahr formierte sich die zweite Curly-Curve-Besetzung, fiel aber ebenso erneut auseinander wie ein dritter Anlauf mit geänderten musikalischen Direktiven. Das vierte Line Up, das sich ab Frühjahr 1972 ohne Pudelko formierte, hatte schließlich den erhofften Erfolg: Curly Curve unterzeichneten einen Vertrag beim „Brain“-Label der Firma Metronome und produzierten im Juli 1973 in den „Dierks Studios“ ihr selbstbetiteltes Debütalbum. Darauf präsentierten die fünf Musiker einen kraftvollen, handwerklich sauber gespielten Bluesrock, dessen amerikanischer Einfluss unüberhörbar war. Selbst die für gewöhnlich härtesten Kritiker deutscher Rockmusik fanden Gefallen am schnörkellosen Boogierock der Berliner. „Zurück zum Rock ohne erklärte politische Ambitionen“, schrieb der „Sounds“- Journalist Hermann Haring in seiner Albumkritik, „Curly Curve saust unkompliziert und schnurstracks geradeaus los, spielt prächtigen Bluesrock und benötigt für die Zukunft nur noch einen kräftigen Schuss Schwärze in die Seele.“ Aufsehen erregte vor allem auch das knallbunte Coverartwork in Hochglanzverpackung, das die farbenprächtigen siebziger Jahre perfekt repräsentierte.

Inga RumpfZEITZEUGEN

Inga Rumpf

Inga Rumpf ist die deutsche Rocksängerin schlechthin. Anfangs mit der Folkband City Preachers, dann als mitglied von Frumpy sowie Atlantis und heute als Solokünstlerin unterwegs, hat sie die Rockmusik in deutschland wie keine Zweite geprägt. Aktuelle veröffentlichungen wie rAdiO lOve und WhiTe hOrses dokumentieren auch weiterhin ihre Bedeutung.

Inga, weshalb kam es zur Gründung von Frumpy und wie liefen die ersten Konzerte?

Ende 1969 gab es bei den City Preachers Meinungsverschiedenheiten zwischen Udo Lindenberg und

Jean-Jacques Kravetz. Wir schätzten Jean-Jacques’ musikalisches Talent, deshalb blieb er bei uns und Udo musste gehen. Als Ersatz bestellte Jean-Jacques seinen Freund Carsten Bohn zum Vorspielen. Bassist Karl-Heinz Schott gab sein Okay und da wir auf dem Weg in eine neue musikalische Richtung waren, hatten wir jetzt das Fundament dafür. Leider passte nun die Sängerin Dagmar Krause nicht mehr in dieses Konzept. Ich nahm eine Auszeit, schrieb neue Songs, unter anderem ›Life Without Pain‹, ›Morning‹ und den Text zu ›How The Gipsy Was Born‹. Anfang 1970 rief Jean-Jacques an und lud mich zu einem Auftritt ein. Die drei hatten einen englischen Sänger, mit dem sie aber nicht zufrieden waren. Als ich sie hörte, wusste ich, dass wir gut zusammenpassten. Unser erster gemeinsamer Auftritt war im März 1970 in Megève, Frankreich, 14 Tage in einem Nachtclub. Anfangs mussten wir viel improvisieren und einige englische Popsongs ins Repertoire nehmen, da wir noch nicht genug eigenes Material hatten. Wir brauchten einen Bandnamen und entschieden uns für Frumpy, einen Songtitel der englischen Band Raven. Wir spielten zunächst Auftritte, die noch auf Verträgen der City Preachers basierten, das Publikum war über den neuen Stil zunächst irritiert. Irgendwann drehte sich der Wind und die Band zog neues Publikum an. Plötzlich waren wir ständig unterwegs und bekamen den ersehnten Plattenvertrag.

Weshalb wurde erst auf FRUMPY II mit Rainer Baumann ein Gitarrist hinzugezogen?

Irgendwann bekamen die langen Improvisationen Struktur und eine neue Klangfarbe musste her. Ich spielte zwar akustische Gitarre, aber eine E-Gitarre war intensiver. Es gab aber nicht so viele gute Gitarristen, die zu unserem Stil passten. In Rainer Baumanns Spiel fanden wir das Blues Element und seine offenheit für neue Wege. Leider war er rhythmisch nicht so stark, deshalb wechselten wir 1972 zu Thomas Kretschmer, der erfahrener und musikalisch reifer war.

Ins Ausland kamt ihr aber erst nach dem Übergang von Frumpy zu Atlantis.

Wir hatten auf deutschen Festivals englische Musiker so manches Mal an die Wand gespielt. Es kränkte uns, dass wir als Krautrocker bezeichnet wurden. Deshalb war für uns die kleine England-Tour sehr wichtig. Die Überfahrt auf der Fähre war für uns kostenlos, wir sollten dafür auftreten. Doch es war sehr stürmisch, Passagiere und Band wurden seekrank und der Auftritt wurde abgeblasen. Als Seemannstochter blieb ich natürlich munter an Deck. In England hatten wir zwei Auftritte, in Hereford mit Mott The Hoople und im Londoner „Speakeasy“, die beide sehr gut beim Publikum ankamen. Gage bekamen wir dafür nicht beziehungsweise ging alles für Fahrt und Unterkünfte drauf. Später gab es auch Auftritte in Skandinavien, Frankreich, Holland und der Schweiz.

Warum war nach drei Studioscheiben schon wieder Schluss mit Frumpy?

Von mir aus hätte Frumpy so weiter gehen können, aber es gab musikalische und persönliche Unstimmigkeiten. Vielleicht waren wir einfach nur erschöpft und hätten eine Auszeit gebraucht, um uns zu sammeln. Nach einer kurzen Schockphase entschieden Karl-Heinz Schott, Jean-Jacques und ich uns für ein weiteres Zusammenspiel, Carsten Bohn ging andere Wege. Atlantis war für mich ein Ausweg und Einstieg in die internationale Musikszene.

Diskografie

ATLANTIS

Atlantis (1973)
It’s Getting Better (1973)
Ooh, Baby (1974)
Atlantis Live (1975)
Get On Board (1975)
Best Of Atlantis (1976)
Top Of The Bill (1978)
Rock Heavies (1980)

GURU GURU

Ufo (1970)
Hinten (1971)
Känguru (1972)
Guru Guru (1973)
Don’t Call Us,
We Call You (1973)
Dance Of The Flames (1974)
Guru Guru Mani und seine Freunde (1975)
Tango Fango (1976)
Globetrotter (1977)
Guru Guru Live (1978)
Hey Du! (1979)
The Story Of Life (1980)

*(viele weitere Alben ab den 1980ern)

BIRTH CONTROL

Birth Control (1970)
Operation (1971)
Hoodoo Man (1972)
Rebirth (1974)
Live (1974)
Plastic People (1975)
Backdoor Possibilities (1976)
Increase (1977)
Titanic (1978)
Live 79 (1979)
Count On Dracula (1980)

*(viele weitere Alben ab den 1980ern)

CURLY CURVE

Curly Curve (1973)
Forgotten Tapes (1981)

- Advertisement -

Weiterlesen

Marcus Trummer: Blues aus Kanadas Prärie

Der junge Aufsteiger aus dem Bundesstaat Alberta hat ein bemerkenswertes Debütalbum vorgelegt. Sein faltenfreies Bübchengesicht täuscht: Der 23 Jahre alte Aufsteiger Marcus Trummer bewegt sich...

Little Steven: Lebensweisheiten

Archiv, 2019 Er ist Little Steven, Gitarrist in Bruce Springsteens E Street Band und gefeierter TV-Darsteller. Für uns denkt der Vielbeschäftigte über seine Musik,...

Aktuelle Ausgabe: CLASSIC ROCK #135 jetzt im Handel!

Die neue Ausgabe von CLASSIC ROCK ab sofort überall im Handel erhältlich! Oder hier direkt versandkostenfrei bestellen... Titelstory: Queen 40 Jahre THE WORKS +...

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

- Advertisment -

Welcome

Install
×