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Iron Maiden: Mörder, Bestien, Sklaven, Söhne, Seelen …

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Iron Maiden: Mörder, Bestien, Sklaven, Söhne, Seelen …

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Iron Maiden feiern dieses Jahr ihr 50. Jubiläum. Wir sprachen mit allen aktuellen Bandmitgliedern und blicken zurück auf Erfolge, Höhen und Tiefen, aufregende Erlebnisse, Durchhänger und die ihr Genre definierenden Platten der langlebigsten und wohl großartigsten Heavy-Metal-Gruppe aller Zeiten.

Dieses Jahr feiern Iron Maiden ihr 50-jähriges Bestehen mit der „Run For Your Lives“-Tour, bei der sie Klassiker aus den Jahren 1980 bis 1992 spielen werden. Im Vorfeld dazu traf sich CLASSIC ROCK Ende 2024 mit ihnen in New York, während der letzten Wochen ihrer „Future Past“-Tour. Die sechs Mitglieder – Steve Harris, Sänger Bruce Dickinson, die Gitarristen Dave Murray, Adrian Smith und Janick Gers sowie Schlagzeuger Nicko McBrain – wurden über vier Tage hinweg vor und nach einem Konzert in Brooklyn einzeln interviewt. Alle sprachen ausführlich über die Höhen und Tiefen von Iron Maidens Karriere und ihr eigenes Leben innerhalb der Band: die klassischen Songs und wegweisenden Alben, die persönlichen Herausforderungen, denen sich jeder Einzelne stellen musste. Sie diskutierten die Langlebigkeit
der Gruppe, wie sie es so weit geschafft haben und wie die Zukunft aussehen könnte – sowohl für Iron Maiden als auch für sie selbst als Individuen. Wie Steve Harris sagte: „Wenn du als Band anfängst, denkst du nicht weiter als bis zu deinem ersten Album. Du träumst davon, die Welt zu bereisen. Alles andere ist ein Bonus. Dass ich das all die Jahre später immer noch tun kann, ist unglaublich. Ich fühle mich so glücklich und dankbar dafür.“ Bruce Dickinson ist genauso euphorisch: „Ich wollte immer, dass dies die außergewöhnlichste Heavy-Metal-Band der Welt wird“, sagte er. „Und ich glaube, das sind wir tatsächlich. Mit dem Repertoire, den Liedern, der Tiefe …“ Bei Nicko McBrain war der Ton etwas anders, seine natürliche Lebhaftigkeit fehlte ein wenig. Er sprach offen darüber, wie er auf der „Future Past“-Tour mit Schwierigkeiten bei seiner Fingerfertigkeit zu kämpfen hatte, seit er 2023 einen Schlaganfall erlitten hat. Wie er sein Schlagzeugspiel angepasste, etwas zurückschaltete, bei bestimmten Nummern Fills reduzierte oder sie ganz wegließ. „Es ist komisch“, zuckte er mit den Schultern, „denn manchmal, wenn ich an meinem Übungsschlagzeug sitze, kann ich das große Drumfill im Intro zu ›The Trooper‹ spielen. Aber selbst dann ist es ein bisschen wackelig, nicht sauber. Also lasse ich es lieber weg, als es zu machen und es nicht richtig hinzukriegen.“ Er fuhr fort: „Ich hatte 42 Jahre mit Iron Maiden. Unglaublich. Aber keiner von uns wird jünger. Wer weiß, wie viel Gott uns in Sachen Langlebigkeit noch schenkt?“ Rückblickend scheint es, dass er sich bereits damit abgefunden hatte, was kommen würde. Nur wenige Wochen nach unserem Gespräch gab McBrain auf X bekannt, dass das Abschlusskonzert der „Future Past“-Tour am 7. Dezember 2024 in São Paulo sein letztes mit Iron Maiden war. Die „Run For Your Lives“-Tour ist nun mehr als nur eine Feier von Maidens 50 Jahren. Simon Dawson, der Schlagzeuger in Steve Harris’ anderer Band British Lion, wurde als McBrains Nachfolger eingesetzt. Und mit dieser ersten Besetzungsänderung seit 25 Jahren beginnt ein weiteres neues Kapitel für Iron Maiden.

Im spätnachmittäglichen Sonnenschein sitzt Steve Harris auf dem Rücksitz eines SUV, der entlang des funkelnden Hudson River von Manhattan nach Brooklyn fährt. Die jüngste seiner vier Töchter sitzt vorne. Sie ist 21. Ihr Vater denkt an die Zeit zurück, als er noch jünger war. Er kann sich nicht mehr genau an das Datum erinnern, aber es war Ende 1975, im September oder Oktober, als der 19-jährige Steve Harris die erste Version von Iron Maiden zusammenstellte. „Das waren Terry Rance und Dave Sullivan an den Gitarren“, sagt er, „ich am Bass, Ron Matthews am Schlagzeug – wir nannten ihn Rebel – und Paul Day als Sänger.“ Harris entschied sich während der Weihnachtszeit für den Namen der Band. „Sogar meine Mama fand, das ist ein großartiger Name“, sagt er lächelnd. Zu dieser Zeit arbeitete er als technischer Zeichner und wohnte bei seiner Oma in Leytonstone, Ost-London, nachdem seine Eltern die Stadt verlassen hatten. „Ich konnte zum Cart & Horses laufen, wenn ich wollte“, sagt er über das Pub, in dem die Gruppe 1976 ihren ersten Auftritt hatte. Als Leiter seiner eigenen Formation war Harris frei, Musik zu erschaffen, die sich deutlich vom simplen Boogie-Rock von Smiler unterschied. Inspiriert von Hardrock-Giganten wie Deep Purple und UFO sowie von der progressiven Rockmusik von Jethro Tull, King Crimson und Genesis, entwickelte er schnell einen einzigartigen Songwriting-Stil – am kraftvollsten illustriert in dem, was er als den definitiven frühen Maiden-Track bezeichnet: ›Phantom Of The Opera‹. „Als Bassist schreibe oder spiele ich nicht wie ein Gitarrist“, sagt er. „Und bei ›Phantom‹ war es offensichtlich, dass mein Schreibstil sich von dem unterschied, was die Leute kannten und was Gitarristen gewohnt waren. Meine Songs waren ungewöhnlich, ein bisschen eigenwillig, aber für mich fühlte es sich natürlich an. Und ich wollte mit Aggression spielen. Die Leute sagten, Maiden hätten diesen ‚Punk‘-Vibe, aber jeder weiß, dass ich Punk überhaupt nicht mag, also ist es das nicht. In diesem Alter hat man so viel Energie, und das wollte ich ausdrücken – aber mit viel Melodie. Deshalb wollte ich zwei Gitarren.“

Credit: Iron Maiden Press

In den ersten Jahren gab es zahlreiche Besetzungswechsel: kurze Episoden mit einem Sänger, Dennis Wilcock, der sich für den nächsten Alice Cooper hielt, einem Schlagzeuger, Barry Purkis, bekannt als Thunderstick, der auf der Bühne eine Sturmhaube trug – zu einer Zeit, als die IRA und der Yorkshire Ripper in Großbritannien Angst und Schrecken verbreiteten. Doch bis 1978 nahm Harris’ Plan Gestalt an. Er hatte einen vertrauenswürdigen zweiten Offizier in Gitarrist Dave Murray, den er ein Jahr zuvor wegen eines Streits mit Wilcock entlassen hatte. Außerdem hatte er einen Sänger mit einer kraftvollen Stimme und Präsenz gefunden: Paul Andrews, der sich selbst Paul Di’Anno nannte. Während die Band durch das Vereinigte Königreich tourte und ihr erstes Demo aufnahm, entwickelte sich eine Underground-Bewegung – die Headbanger-Antwort auf Punk, die von der wöchentlichen Rockzeitschrift Sounds „New Wave of British Heavy Metal“ getauft wurde. „Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, sagt Harris. Und 1979 fand er wohl seinen wichtigsten Verbündeten in Rod Smallwood, einem ehemaligen Booking-Agenten, der Iron Maidens Manager wurde – der Peter Grant zu Harris’ Jimmy Page. Es gelang Smallwood, Maiden einen Plattenvertrag bei dem Major-Label EMI zu verschaffen. Im Dezember 1979 wurde das selbstbetitelte Debüt in London aufgenommen, mit der Besetzung Harris, Murray, Di’Anno, Schlagzeuger Clive Burr (abgeworben von der Konkurrenz Samson) und dem zweiten Gitarristen Dennis Stratton. Es bleibt eines der größten Heavy-Metal-Werke aller Zeiten – voller elektrisierender Songs, roher Energie und Straßen-Attitüde. Es gilt als das einflussreichste Album der NWOBHM und inspirierte Gruppen wie Metallica und viele andere, die folgten. Auf dem Cover, illustriert von Derek Riggs, ist die monströse Figur von Eddie zu sehen – ein Bild, das laut Kiss-Star Gene Simmons „das perfekte Markenzeichen“ werden sollte.

Maidens zweite Platte KILLERS folgte 1981. Sie enthielt ›Innocent Exile‹, den Ur-Maiden-Track. Die erste LP der Band mit Gitarrist Adrian Smith, der Dennis Stratton ersetzt hatte. Und die letzte mit Paul Di’Anno. Nach seinem Ausstieg bei Maiden hatte Di’Anno eine unstete Karriere und einen chaotischen Lebensstil. In den Monaten vor seinem Tod an Herzversagen am 21. Oktober 2024 hatte er Auftritte im Rollstuhl absolviert und wieder Kontakt zu Steve Harris aufgenommen. „Ich war bis ein paar Wochen vor seinem Tod in Kontakt mit ihm“, verrät Harris. Nach einem kurzen Moment lächelt er, während er sich an die guten Zeiten erinnert, die sie geteilt haben. „Paul war ein liebenswerter Gauner. Er hat mich gern geärgert, indem er sich wie Adam Ant verkleidete. Alles, um mich auf die Palme zu bringen. Er mochte es, ein bisschen Unruhe zu stiften, sagen wir es so. Und das hat er auch getan! Er nannte mich Hitler. Ich wurde schon Ayatollah und Feldwebel genannt, aber Hitler setzt dem Ganzen wirklich die Krone auf.“ Nach Di’Annos Entlassung bei Maiden gab er zu, dass er allein schuld war. Zu oft hatte er sich auf Tour die Stimme ruiniert – zu viele lange Nächte, zu viel Alkohol und Kokain. „Pauls Stimme hatte eine gewisse Qualität“, so Harris. „Eine Rauheit. Aber er hat nicht auf sich aufgepasst. Er hatte diesen Selbstzerstörungsknopf. Und ich hatte den Eindruck, dass er nie wirklich daran geglaubt hat, dass er es auf die nächste Ebene schaffen könnte. Ich denke, da gab es eine gewisse Unsicherheit.“

Diese Unsicherheit fehlte bei dem Sänger, der Di’Anno ersetzte. Bruce Dickinson, wie zuvor Clive Burr von Samson zu Maiden gestoßen, hatte keinerlei Zweifel an seinen Fähigkeiten – eine Stimme von außergewöhnlicher Reichweite und Kraft. Die Zweifel lagen bei Harris. „Ich hatte große Sorgen, mitten in dieser Phase den Sänger zu wechseln“, gibt er zu. Doch im Februar 1982 landete ›Run To The Hills‹, Maidens erste Single mit Dickinson, in den Top 10 der britischen Charts. Noch größerer Zuspruch folgte mit dem Album THE NUMBER OF THE BEAST. „Die Fans haben Bruce unglaublich gut aufgenommen“, erinnert sich Harris. „Es war eine absolute Erleichterung, ehrlich gesagt. Und dann ging die Platte auf Platz eins und ich dachte nur: ‚Wow, was passiert hier gerade?‘“ Vom Sounds-Autor Garry Bushell als „episches Zeug“ beschrieben und geprägt von „tosendem, Purple-ähnlichem Chaos“, bedeutete THE NUMBER OF THE BEAST einen riesigen Fortschritt für Iron Maiden. Mit Dickinsons mächtiger Stimme auf dem Niveau von Legenden wie Ronnie James Dio und Rob Halford wurde es weithin als das def initive Maiden-Werk gefeiert. Es enthielt unsterbliche Metal-Klassiker wie ›Run To The Hills‹, ›Children Of The Damned‹, ›Hallowed Be Thy Name‹ und den feurigen Titeltrack. Die „Beast On The Road“-Tour war Clive Burrs letzte mit der Band. Sein Nachfolger wurde Nicko McBrain, der auf dem 1983 erschienenen PIECE OF MIND seinen Einstand gab. „Ich wollte immer, dass dies die außergewöhnlichste Heavy-Metal-Band der Welt wird“. Bruce Dickinson Werk und dem monolithischen Nachfolger POWERSLAVE wurden Iron Maiden zur führenden Metal-Formation der Welt. „In diesen Jahren gaben wir permanent Vollgas“, erzählt Harris. „Album, Tour, Album, Tour. Wir hatten kaum freie Zeit. Aber es war großartig. Genau das wollten wir.“ Nicht jeder in der Gruppe wollte es jedoch so sehr wie Harris. Mitte der 80er-Jahre stellte die passend benannte „World Slavery“-Tour als 13-monatiger Marathon eine physische und psychische Belastungsprobe dar, die der Band schwer zusetzte, besonders Dickinson und Smith (Smith stieg während der Vorproduktion zu NO PRAYER FOR THE DYING von 1990 aus und wurde durch Janick Gers ersetzt, den Gitarristen von Gillan).

Für Harris kam die größte Herausforderung später. In all den Jahren, in denen er Iron Maiden geleitet hat, gab es nur eine Zeit, in der er ernsthaft darüber nachdachte, sie aufzulösen: 1993, als Dickinson ebenfalls ausstieg und Harris sich gleichzeitig von seiner Frau Lorraine scheiden ließ. „Es passierten ziemlich schreckliche Dinge auf einmal“, sagt er mit einem Seufzer. „Und ich dachte, die anderen werden jetzt von mir Stärke erwarten, und ich wusste nicht, ob ich das leisten kann. Da gibt es diesen Spruch: ‚Wer motiviert den Motivator?‘ Genau so schaute es aus. Aber es hielt nicht lange an. Ein paar Tage. Ich konnte nicht weiter Mitleid mit mir selbst haben. Ich musste weitermachen.“ Dickinsons Nachfolger wurde Blaze Bayley, zuvor als Frontmann von Wolfsbane, Tamworths Antwort auf Van Halen, bekannt. Harris ist bis heute stolz auf Maidens zwei Platten mit Bayley: THE X FACTOR (1995) und VIRTUAL XI (1998). „Ehrlich gesagt finde ich, dass einige der Lieder auf diesen Alben zu den besten gehören, die ich je geschrieben habe“, sagt er. „Aber sie klangen ziemlich düster, wahrscheinlich, weil ich mich seelisch an einem dunklen Ort befand, ohne es wirklich zu merken.“ Obwohl Bayley wirklich sein Bestes gab, konnte er weder Dickinsons stimmlichen Umfang noch sein Charisma erreichen. Und in einer Zeit, in der Alternative-Rock dominierte, ließ die Popularität von Iron Maiden nach. Harris empfand eine beinahe eigenartige Genugtuung in dieser schwierigen Lage. „Wir hatten es schwer, kämpften um unser Überleben“, erklärt er. „Wieder der Underdog zu sein, das hat mir gefallen. Ich mochte die Herausforderung.“

Doch das konnte nicht von Dauer sein. Im Januar 1999 traf Steve Harris die schwerste Entscheidung seines beruflichen Lebens und teilte Bayley mit, dass seine Tage bei Iron Maiden gezählt sind. „Das ist die schlimmste Seite daran, in einer Band zu sein“, sagt er. „Das ist nichts, womit ich mich wohlfühle. Das war nie der Fall und wird es auch nie sein. Aber du musst tun, was das Beste für die Gruppe ist.“ Damit war die Bühne bereitet für die Rückkehr von Bruce Dickinson – und mit ihm Adrian Smith.

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