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Titelstory: Gary Moore (04.04.1952–06.02.2011)

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Titelstory: Gary Moore (04.04.1952–06.02.2011)

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LIEBE ZU EUROPA
Dennoch ist sich Moore seinerzeit nicht wirklich sicher, ob er den stilistischen Faden von WILD FRONTIER weiterspinnen soll. Er will sich nicht künstlerisch wiederholen. Beim 1989er-Nachfolger AFTER THE WAR wollen zu-dem die Plattenfirma-Verantwortlichen Einfluss nehmen, und zwar über Ton-Ingenieur Peter Collins, der bereits ›Out In The Fields‹ sowie einige Songs auf WILD FRONTIER produziert hat. Das Album soll gezielt auf den amerikanischen Markt ausgerichtet werden. „Die Leute ahnten jedoch bereits, dass sie mit ihren Ideen bei mir auf Granit beißen würden, daher schickten sie Collins vor“, so Moore. „Natürlich durfte es es nicht zugeben, aber ich konnte es förmlich riechen. Dadurch kam es zu einigen Konflikten zwischen uns. Am Ende machte ich doch ein paar Zugeständnisse, was allerdings ein Fehler war. Der Titelsong ›After The War‹ beispielsweise hatte ursprünglich eine ganz andere Grundstimmung – er sollte so ähnlich klingen wie ›Out In The Fields‹. Die Demoversion hörte sich viel, viel besser an. Aber Peter wollte die Nummer langsamer haben. Er forderte ständig, dass ich etwas anders machen sollte. Ich wollte ursprünglich ein Album mit irischem Flair machen, denn ich wohnte zu der Zeit in Dublin und schrieb dort alle Songs. Doch es passierte das, was in einer solchen Situation wohl passieren muss: AFTER THE WAR wurde eine dieser unzähligen Rockscheiben, die niemand wirklich braucht. ›Blood Of Emeralds‹ ist ein guter Track – allerdings der einzige auf dieser Scheibe, der Rest wirklicher Mist.“

Auch der erhoffte Erfolg in Amerika blieb aus, was Moore – zumindest im Nachhinein – nicht störte. „Ehrlich gesagt bedauere ich das nicht“, berichtet er Jahre später freimütig. „Der US-Musikmarkt ist der korrupteste der Welt. Wo man auch spielt – überall soll man anschließend den wichtigen Leuten ihren Arsch küssen. Ich habe das nie gemacht, weshalb ich es wohl dort nie zu etwas bringen konnte. Mein erfolgreichstes Album in den Staaten war STILL GOT THE BLUES, für das ich immerhin eine Gold-Auszeichnung bekam. Trotzdem ging ich dort nicht auf Tour, gab nur ein Interview und spielte lediglich eine einzige Show. Denn mein Platz ist in Europa: Hier will ich den Leuten gefallen, hier fühle ich mich zu Hause.“

Dies ist vielleicht auch ein Grund dafür, warum es rund 20 Jahre nach Veröffentlichung von STILL GOT THE BLUES auch zu einem langwierigen Rechtsstreit kommt. Im Dezember 2001 verklagt der deutsche Gitarrist Jürgen Winter Moore wegen angeblichen Plagiats. Der Vorwurf: Gary Moore soll Anfang der Siebziger bei einem Besuch in Köln eine Gitarrenpassage des Songs ›Nordrach‹ seiner Gruppe Jud’s Gallery aufgeschnappt und später zur Hookline seines Songs ›Still Got The Blues‹ umfunktioniert haben. Und in der Tat: Das Landgericht München stellt schließlich im Dezember 2008 „frappierende Übereinstimmungen beider Stücke“ fest und urteilt, dass von einer unrechtmäßigen Ideen-Kopie auszugehen ist. Moore selbst ist natürlich nicht begeistert, wie er im Gespräch zugibt: „In England sagt man: ‚Wo ein Hit ist, gibt es sofort auch einen Prozess!‘. Wenn du eine erfolgreiche Scheibe auf dem Markt hast, tauchen automatisch Trittbrettfahrer auf, die sich dranhängen. Manchmal verliert man die Lust am Musikmachen, wenn man sich mit solchem Mist auseinander setzen muss.“ Moore legt Berufung ein, nun werden allerdings die Erben des Wundergitarristen die leidige Auseinandersetzung zu Ende führen müssen.

KREATIVITÄT VERSUS FINANZZWANG
Und es gibt einen weiteren unschönen Eklat, mit dem sich Gary Moore herumschlagen muss: 2006 verkauft er jene Gibson Les Paul, die er als 20-Jähriger von seinem Freund, Fleetwood Macs Peter Green, zunächst geliehen und dann für 120 britische Pfund gekauft hat. Ursprünglich verlangt Green einen deutlich höheren Preis, doch der junge Moore ist notorisch knapp bei Kasse, woraufhin sich die beiden Kollegen darauf einigen, dass Moore seine eigene Gibson SG abstößt und vom Erlös Greens Les Paul bezahlt. Als Gary Moore wieder einmal finanziell klamm ist, entschließt er sich, die legendäre Gitarre wieder zu veräußern: „Die Les Paul wurde dermaßen kostbar, dass ich sie nirgendwohin hinnehmen konnte, weil mich die Versicherungsprämie Haus und Hof gekostet hätte. Aber es kann auch nicht im Sinn des Erfinders sein, dass ich nur alle paar Jahre mal einen Song darauf spiele und sie sonst nur herumliegt. Gitarren sind für mich keine Kunstgegenstände, die man sammelt und sie dann in einer Bank deponiert.“

Erschwerend hinzu kommt, dass sich Moore zwei Jahre zuvor bei einer Tournee, für deren Finanzierung er mit seinem eigenen Vermögen gebürgt hat, die Hand verletzt und als Folge des Tourabbruchs einen riesigen Schuldenberg abtragen muss: „Ich war in der Zwickmühle, weil sich die Versicherungsgesellschaft um die Auszahlung des fälligen Betrags herumdrückte. Also musste ich sämtliche Verbindlichkeiten rund um die Tournee selbst bezahlen und brauchte innerhalb kürzester Zeit jede Menge Kohle. Es gab keine andere Möglichkeit, so schnell an so viel Geld zu kommen.“

Noch dazu läuft bei dem Verkauf der wertvollen Gitarre nichts so, wie es der Musiker geplant hat. „Sagen wir es mal so“, setzt Moore vorsichtig zur Erläuterung an. „Die Sache war mit dem Käufer anders abgesprochen. Unsere Abmachung lautete, dass alles sehr diskret ablaufen sollte. Doch schon einen Tag nach der Transaktion wusste es jeder. Das war so, als ob ich meine Hosen vor der ganzen Welt heruntergelassen hätte, wirklich dramatisch. Und das Dreisteste: Der Typ bot den Gurt der Gitarre für einige 100 Dollar bei Ebay an. Derjenige, der ihn erwarb, bekam allerdings nicht das, was er sich gewünscht hatte, denn es war überhaupt nicht mein Original-Gitarrengurt, den der Typ angeboten hatte – der war von uns vor dem Verkauf ausgetauscht worden. Wir wiesen die Verantwortlichen bei Ebay darauf hin und versuchten schließlich, die Sache klarzustellen.“

KOLLEGIALE RESPEKTSBEKUNDUNGEN
Aber ist es nicht alles schrecklich für Gary Moore – es gibt auch viel Erfreuliches zu berichten: So kommt er zu Beginn der Neunziger mit Jack Bruce und Ginger Baker unter dem Namen BBM zu einer Art Cream-Reunion (lediglich Eric Clapton fehlt). Mit dem 1994er-Album AROUND THE NEXT DREAM und der gleichnamigen Tournee dokumentiert Moore erneut, dass er von legendären Kollegen als Gleichgesinnter akzeptiert wird. „BBM war eine tolle Sache und machte sehr viel Spaß, obwohl sie auch von unglaublichem Mist begleitet wurde. Ständig hauten uns irgendwelche Leute die Cream-Geschichte um die Ohren. Etliche Journalisten behaupteten, Jack und Ginger hätten eigentlich Cream reaktivieren wollen, und weil Clapton sich weigerte, dabei mitzumachen, wäre eben ich an Bord genommen worden. So ein Blödsinn! Die Wahrheit ist: Ich arbeitete zur dieser Zeit gerade an einem neuen Soloalbum, und da ich kurz zuvor einige gemeinsame Shows mit Jack gespielt hatte, fragte ich ihn, ob er einige Parts zu meinem Album beisteuern wolle. Er sagte zu. Da ich anfangs noch keinen geeigneten Drummer hatte, schlug mir Jack Ginger vor – zu meiner Freude, muss ich gestehen. Ich hätte nie gewagt, ihn selbst zu fragen. Ginger kam also vorbei, wir jammten ein wenig, und es war sofort klar: Es konnte kein reines Gary Moore-Album werden, denn wir waren eine richtige Band! Alles lief so locker ab, das Songwriting, die Produktion. Die Probleme tauchten erst auf, als das Album veröffentlicht worden war und in den Medien geschrieben stand, dass wir das Erbe von Cream zerfleddern würden. Wir hätten mit BBM sicherlich noch ein weiteres tolles Album gemacht, doch der Druck von außen war zu groß – zudem kollidierten die geplanten BBM-Termine ständig mit unseren anderen Projekten.“

SUCHE NACH BEDEUTSAMKEIT
Apropos andere Projekte: Gary Moore beweist in der Spätphase seiner Karriere vor allem eines – er will sich nicht einschränken lassen. So fällt sein 1997er-Werk DARK DAYS IN PARADISE deutlich experimenteller aus als AROUND THE NEXT DREAM. Moore werkelt hier mit zeitgemäßen Rhythmen, und auch seine 1999er-Scheibe A DIFFERENT BEAT stattet er mit HipHop- und Drum’n’Bass-Sounds aus. Seine (aus heutiger Sicht fast schon fatalistische) Begründung für den erneuten und durchaus gewagten Kurswechsel: „Ich will meine Zeit nicht wahllos vergeuden, dazu ist das Leben viel zu kurz. Wer wirklich etwas Bedeutendes schaffen will, muss immer auf der Suche sein und sich ständig weiterentwickeln.“

Das tut Moore in der Tat: 2002 gründet er zusammen mit Bassist Cass Lewis (Skunk Anansie) und Schlagzeuger Darrin Mooney (Primal Scream) das kurzlebige Bandprojekt Scars, während er sich im weiteren Solo-Verlauf – unter anderem mit dem gleichnamigen 2004er-Album – wieder dem „Power Of The Blues“ widmet.

Vor seinem Ableben soll der Gitarrist über eine Zusammenarbeit mit der irischen Folkband The Chieftains nachgedacht haben, und zwar für ein weiteres Celtic Rock-Album im Stil von WILD FRONTIER. Sein Tod am Morgen des 6. Februar 2011 verhindert dieses wahrlich spannende Projekt. Gary Moore wurde nur 58 Jahre alt.

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1 Kommentar

  1. Gary Moore einer meiner musikalischen Wegbegleiter , ein Jahr jünger als ich. Sein Können als Komponist/Song-Schreiber und natürlich als genialer Gitarrist haben mich immer inspiriert, mich zu einem besseren Gitarristen werden lassen. Dafür bin ich im bis heute dankbar auch wenn wir uns nie persönlich begegnet sind. Sein musikalischer Einfluss auf mich besteht bis heute ohne ihn jemals kopieren zu wollen, was im übrigen sowieso nicht möglich wäre. Gary Moore einer der besten Musiker/ Gitarristen im Blues/Hard-Rock-Business. R.I.P. Gary……..

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