Claptons selbstbetiteltes Solodebüt erschien 1970, ein paar Monate vor LAYLA… Bis zu dessen Nachfolger 461 OCEAN BOULEVARD vergingen weitere vier Jahre, doch danach folgten vier Alben in ziemlich kurzen Abständen: THERE‘S ONE IN EVERY CROWD (1975), NO REASON TO CRY (1976), SLOWHAND (1977) und BACKLESS (1978). Die letzteren beiden wurden von Glyn Johns produziert. Clapton war zwar mit jeder dieser Platten erfolgreich, doch hinter den Kulissen herrschte größtenteils Chaos der drogen- und alkoholbefeuerten Art. Ende der 70er hatte er Angst vor Punk („Ich fühlte mich bedroht, weil ich mich fürchtete. Ich dachte, diese Typen waren unheimlich, you know?“) und gab in der Presse unbeliebte Kommentare über den Politiker Enoch Powell ab. Von seinem Privatleben zu seinen politischen Ansichten fand alles in der Öffentlichkeit statt.
Du bist eigentlich eine ziemlich verschlossene Person, und doch hat die ganze Welt so viel von deinem Leben, deinen Kämpfen und Problemen mitbekommen. Deine Geschichte – Aufstieg, Fall, Wiedergeburt – ist eine der fesselndsten im Rock. Aber ist es seltsam, dass so viel davon durch die Medien ging, wenn man es selbst gelebt hat?
(lacht) Ich weiß nicht, wie ich überlebt habe, vor allem die 70er. Irgendwann wurde ich ins Krankenhaus in St. Paul, Minnesota, geflogen und anscheinend lag ich tatsächlich im Sterben – ich hatte drei Geschwüre und eines davon blutete. Ich hatte drei Flaschen Brandy getrunken und haufenweise Codein geschluckt, also stand ich kurz vorm Abkratzen. Und ich kann mich nicht mal daran erinnern. Es ist wirklich unglaublich, dass ich noch hier bin.
Ist es wahr, dass du Heroin nicht gespritzt, sondern geschnupft hast, damit du mehr nehmen konntest?
Yeah. Das war eigentlich eine ganz schöne Verschwendung. Finanziell ist das so ungefähr das Letzte, was man tun sollte, außer man kann es sich wirklich leisten. Aber es hat mir den Arsch gerettet, denn intravenös ist es natürlich viel gefährlicher, wegen schmutziger Nadeln oder dem Risiko einer Überdosis.
Du hast mal geschätzt, dass du damals 1000 Pfund pro Woche für Heroin ausgegeben hast – das wären heute 8000 Pfund.
Ja. Ich stand kurz vor dem Bankrott, da war kaum noch was auf dem Konto. Aber mein Management war sehr klug – Robert Stigwood hat da gut aufgepasst. Sein Optimismus und seine Hoffnung war es wohl, dass es ein Licht am Ende des Tunnels geben würde. Sie haben mich nicht groß überwacht. Ich war an einer sehr langen Leine. Und sie hofften wohl, dass ich es irgendwann einsehen würde. Was ich natürlich tat. Aber beinahe … Ich weiß nicht, wie nah ich dem Ende kam … Und Menschen um mich herum – da habe ich einige mit runter gezogen. Das ist immer das Schlimmste daran, ein Süchtiger oder Alkoholiker zu sein: Andere werden mit in den Abgrund gezogen, und manchmal erwischt es sie vor der Hauptfigur.
Meinst du deine damalige Freundin Alice Ormsby-Gore?
Ja.
Es muss wohl ein seltsam anziehender Lifestyle gewesen sein, dem man sich schwer verweigern konnte.
Ja. Und es war die Musik, die mich rettete. Bevor ich mit dem Zwölf-Schritte-Prinzip bekannt gemacht wurde, einer Gemeinschaft von Leuten, die ihre Identität und ihre Schwierigkeiten miteinander teilen,
dachte ich nur: „Na ja, solange ich spielen kann … Ich werde einfach nur lang genug am Leben bleiben, um zu spielen“. Alice hatte keinen solchen Anker. Ich sah sie lange nicht, bis kurz vor ihrem Tod 1995, bis eine Gruppe von Leuten versuchte, ihr Hoffnung zu geben, doch es war schon zu spät. Eigentlich meinte ich vorher gar nicht sie im Speziellen, aber du hast vollkommen Recht. Es ist interessant, dass du das sofort richtig interpretiert hast. Aber es gab auch andere. Ich habe einen sehr guten Freund namens Nigel [Carroll, persönlicher Assistent], der in Amerika lebt und für mich arbeitet. Er arbeitete schon damals für mich, und ich brachte ihn dazu, zu trinken und immer auf demselben Pegel wie ich zu sein. Er trank nicht mal gerne, weißt du? Furchtbar. Ich feuerte ihn immer wieder – ganz schlimm – und stellte ihn am nächsten Tag wieder ein. Ich behandelte ihn … Das war Misshandlung, you know?
Du bist sehr offen, was diese dunklen Phasen in deinem Leben angeht. In deinem Buch bezeichnest du Pattie als „Sklavin und Lebensgefährtin“.
Nun, so war es nun mal. Ehrlichkeit heißt, die Wahrheit zu sagen. Ich versuche, ehrlich zu sein, solange ich damit niemand anderen verletze. Ob ich mir selber Schaden zufüge, ist mir egal. Und ich mag
eigentlich, wer ich bin. Ich bin gerne allein und habe eine gute Vorstellung davon, wer ich bin. Und die Selbstironie wende ich nur an, damit ich nicht den Kopf verliere und mir einbilde, wie verdammt großartig ich bin! Das ist ziemlich nützlich. Eine praktische Methode, um auf Kurs zu bleiben.
Ein Riesenego trifft auf extremen Selbsthass: Ist das ein gefährlicher Cocktail?
Das kann es ein. Und ich denke, wenn ich allein leben würde, wenn ich ein Einsiedler wäre, würde ich Gefahr laufen, diesem … Syndrom anheim zu fallen. Aber ich treffe mich mit anderen Menschen, und meine Familie ist sehr … beständig. Die Liebe in meiner Familie ist sehr beständig.
Du hast mal gesagt: „Ich sehe keinen Hoffnungsschimmer für die Zukunft … Ich sehne den Tod herbei … Ich mag das Leben nicht“. Würdest du immer noch so empfinden, wenn du deiner Frau nicht begegnet wärst?
Oh, ich weiß nicht. Das ist ziemlich extrem. Von wann ist dieses Zitat?
Von 1973.
Haha. Das ist ziemlich typisch für das, was ein 27-Jähriger sagen würde. Oder eigentlich mehr ein 25-Jähriger, findest du nicht?
Um Meryl Streep über Woody Allen im Film „Manhattan“ zu zitieren: Du hast den Selbsthass in narzisstische Extreme erhoben?
Das ist dilettantisch, fast schon affig. Als würde man sagen: „Rette mich irgendjemand!“.
Du schienst aber Rettung zu brauchen an jenem Abend 1977 in Honolulu, als du beschlossen hattest, deinem Schlagzeuger einen Schreck einzujagen, indem du mit einem Samuraischwert in sein Hotelzimmer kamst. Daraufhin rückte die Polizei mit gezogenen Waffen an.
Ich kann nicht glauben, dass ich das war. Ich wäre zu so etwas heute einfach nicht fähig. Aber damals war ich es, und das überrascht mich eigentlich nicht. Eine Flasche Wodka war genug, um sowas passieren zu lassen.