Rock’N’Roll als bewältigungstherapie
Auf den Tag genau drei Monate haben sich die Eagles Of Death Metal genommen, um ihre wohl auf brutalste Weise unterbrochene Rock’n’Roll-Tournee fortzusetzen. Am 13. Februar betraten sie in Stockholm erstmals seit dem Terroranschlag im Pariser Club Bataclan wieder eine Bühne im Rahmen ihrer „Zipper Down Tour“. Es folgte eine Show in Oslo und dann der hoch emotionale und Überwindung kostende Nachholtermin in Paris. An diesem Abend steht nun, zwei Tage nach der Rückkehr in die französische Hauptstadt, das erste Deutschlandkonzert der Männer um Jesse Hughes an. Etwas mulmig ist den meisten der EODM-Fans (erfreulicherweise sind es wirklich allesamt echte Fans und keine der zu befürchtenden Sensations-Schaulustigen) schon, als aufgrund deutlich sorgfältigerer Einlasskontrollen die Warteschlange vor der Tonhalle auf eine seltene Länge heranwächst. Doch jeder hier, so fühlt es sich an, will sich selbst beweisen, dass die Lust auf Rock’n’Roll stärker ist als die Furcht vor vereinzelten irren Fanatikern. Dies gilt nicht nur für die Besucher, auch das furiose Support-Duo White Miles aus Tirol hat sich durch die Erlebnisse am 13. November 2015 nicht davon abhalten lassen, wieder den Slot vor den Eagles Of Death Metal wahrzunehmen. Dass das hier aber keine andächtige oder pathetische Trauerveranstaltung, sondern eine rasende Rock’n’Roll-Party werden soll, wird in dem Moment klar, als die vertrauten Klänge von Franzl Langs Fassung von ›In München steht ein Hofbräuhaus‹ die Stimmung schlagartig überschwänglich und ergreifend zugleich werden lassen und die Band mit fliegenden Bechern und minutenlangem Applaus begrüßt wird. Von 1.900 Zuschauern und aus vollstem Herzen. Hinter der pinken Sonnenbrille kann Hughes seine Rührung nicht verbergen, als er sich aufrichtig mit den Worten „You did not let us down! Ich liebe dich!“ bedankt und darauf die hier herrschende Energie ungefiltert zurückgibt und eine musikalisch tadellose, in Sound, Dramaturgie und Emotionalität perfekte Show mit ›I Only Want You‹ startet. Mit jeder folgenden Minute ist den Musikern, die alle vor Körperspannung strotzen, anzumerken, wie Spaß zur treibenden Kraft wird, die sie Zentimeter für Zentimeter der Bühne für sich zurückerspielen lässt. Irgendwann, im Laufe der insgesamt 21 folgenden Songs, fühlt sich der in Little-Richard-Manier den Geist des Rock’n’Roll predigende Hughes dermaßen wohl, dass er sich zu einem Gelübde hinreißen lässt: „Ihr werdet mich von dieser Bühne zerren müssen!“ Lange hält er dieses Versprechen nicht ein, allerdings nur, weil er den gegenüberliegenden Balkon besuchen muss, um von dort ein Gitarren-Battle mit Dave Catching grandios zu verlieren. Dafür kann Hughes einen ganz anderen Erfolg an diesem Abend einfahren: Er, der sehr pietätvoll mit der jüngsten Geschichte seiner Band umgeht, beweist, dass die Eagles Of Death Metal keine Nutznießer einer Katastrophe sind, sondern schon längst einen deutlich weniger traurigen Ruhm verdient gehabt hätten.