Guns N‘ Roses
CHINESE DEMOCRACY (2008)
Zugegeben, Guns N‘ Roses haben mehrere Kandidaten für diese Rubrik geliefert. Nudeln in Tomatensoße sind nicht unbedingt das, was einem sonst auf einer Rock‘n‘Roll-Platte begegnet (THE
SPAGHETTI INCIDENT?). Nicht viel anders sieht es aus mit einer sich über ein Büchlein buckelnden, antik anmutenden Figur (USE YOUR ILLUSION I+II). Wir haben uns für CHINESE DEMOCRACY entschieden, denn hier reichen die Wunderlichkeiten über das Cover hinaus. Ein Mehrwert an Wunderlichkeit also. Die Arbeiten am Album begannen Mitte der 90er. Doch bald fingen die Probleme an. Die Veröffentlichung verzögerte sich. Okay, dachte man, kann ja mal passieren. Dabei war das nur der Auftakt zu einem beispiellosen Hin und Her. Immer wieder hieß es: Jetzt ist es soweit. Doch nein, falscher Alarm. Jetzt aber wirklich – nein, Halt, doch nicht. Die Jahre zogen ins Land, Axl Rose wuchsen Rasta-Zöpfe, die Produktionskosten summierten sich auf 13 Millionen US-Dollar. Dr. Pepper versprach 2008 sogar jedem Amerikaner ein Gratisgetränk, falls CHINESE DEMOCRACY in selbigem Jahr erscheinen sollte – und musste liefern. Im November war es soweit.Doch was sollte uns das Foto vorne drauf sagen? Der verrostete Drahtesel samt überdimensioniertem geflochtenen Korb auf dem Gepäckträger. Die dreckige Wand im Hintergrund, das veraltete Abflussrohr. Eine Plastikflasche, ein leeres Fastfood-Schälchen, ein ausrangiertes Verkehrszeichen. Und der Boden – kennt noch jemand den Sketch von Gerhard Polt, in dem Gisela Schneeberger erklärt, in Deutschland sei es so sauber, da könne man vom Boden essen? Nun, das sollte man hier besser nicht tun. Was hat es mit diesem Arrangement auf sich? Stand, als das Album eigentlich erscheinen sollte, noch ein blitzendes Citybike vor einem frisch gestrichenen Neubau? Wartete die chinesische Köstlichkeit noch darauf, verspeist zu werden? War das Verkehrszeichen noch im Einsatz? Fragen über Fragen, die wohl nie geklärt werden können. Aber wie so oft gilt hier wohl: Es kommt mehr auf die vermittelte Stimmung an denn auf schnöde Details und Hintergrundwissen. Sagen wir jetzt einfach mal so.
David Numberger
Ugly Kid Joe
MENACE TO SOBRIETY (1995)
Im Jahr 1995 veröffentlichten Ugly Kid Joe ihr zweites Album MENACE TO SOBRIETY. War das Cover ihres Debüts und Smash-Hitalbums AMERICA‘S LEAST WANTED so (wenn auch kritisch) amerikanisch, wie es nur geht, überraschte der „schiache Josef“ hier mit einem höchst alpenländischen Motiv. Ein fescher Bua in Lederhos’n, Trachtenjanker und -hut lässt sich seine Brotzeitplatte samt Radieserl schmecken. Die wichtigste Zutat, wie könnte es auch anders sein, ist aber das Weißbier*, das sich der aus heutiger Sicht nicht trinkreife Zwerg mit großem Schluck gönnt. Und hier kommen wir zur Skurrilität dieses Covers. Warum heißt das Album eigentlich „Bedrohung der Nüchternheit“? Schließlich gehört das auf diesem Bild dargestellte Szenario, wenn sich auch der durchschnittliche Amerikaner das anders vorstellen mag, auch in Bayern der Vergangenheit an. Was einst normaler und zentraler Bestandteil einer hoch entwickelten Kultur war („Von irgendwos muaß da Durscht ja weggeh, wurscht, wie oid ma is.“), ist längst verpönt und damit ausgerottet. Angebrachter Titel, um den dramatischen Verfall dieses Kulturguts zu kommentieren, wäre also vielmehr MENACE BY SOBRIETY gewesen, also „Bedrohung durch Nüchternheit“. Einzig und allein das flammende Inferno im Hintergrund erschließt sich dem Betrachter auf Anhieb. Ein anständiger Brand ist offensichtlich kein rein bajuwarisches, sondern auch in Kalifornien, der Heimat von Ugly Kid Joe, bekanntes Phänomen. „Prost, weil’s wahr is’!“
Paul Schmitz
* Und ja, der Verfasser dieses Textes besteht aufgrund seiner oberbayerischen Herkunft auf die Korrektheit dieses Begriffs und erwehrt sich der Verwendung der diffamierenden Vokabel „Weizenbier“.
Great White
HOOKED (1991)
Machismo ohne Grenzen – das war der Wunschtraum der Hair-Metalbands der 80er. Den feuchten Fantasien der Föhn-Rocker Great White etwa entsprang dieses zweifelhafte Cover ihres Albums HOOKED
von 1991. Eine blonde Nixe hängt am stählernen Haken der Gruppe, die stets eine helle Flosse in ihrem „Artwork“ unterbrachte. Great White wünschten sich nämlich die Macht und Berühmtheit des
Weißen Hais. In Wahrheit hatten die Make-Up-Metaller zu dieser Zeit aber schon weitaus weniger Fans als erhofft an der Angel, es war das Jahr, in dem NEVERMIND von Nirvana erschien, der Sleaze Rock tauchte ab von der Wasseroberfläche, während der Grunge das Ruder übernahm. Die Rocker aus Kalifornien (und nicht nur dort) mussten neben Gitarre, Bass, Drums auch den Umgang mit Lip Gloss, Toupierkamm & Puderdose beherrschen. Die Frisuren türmten sich, Nagellack, Schmuck, hautenge Hosen und Schulterpolster waren Standard. Mit einem Wort: Die Jungs sahen aus wie Transvestiten. Wer das jedoch laut sagte, lief Gefahr, von den grellen Zwitterwesen massakriert zu werden. Den weiblichen Look versuchten sie durch Macho-Zoten wieder wett zu machen. Platten hießen etwa SLIPPERY WHEN WET (Bon Jovi), OPEN UP AND SAY AHH (Poison) und GIRLS GIRLS GIRLS (Mötley Crüe). Immerhin war es Great White vorher gelungen, mit den großen Haifischen zu schwimmen. Die mittelmäßig begabten Rocker hatten ihren größten Hit mit einem Coversong, ›Once Bitten, Twice Shy‹ stammt von Ian Hunter, die Great-White-Version schaffte es auf Platz 5 der Billboard Charts. Ansonsten waren Rockballaden á la ›Rock Me‹ die Stärke der Glam Rocker. Damit waren ihre 15 Minuten Ruhm vorüber, Great White gesellten sich zu den kleinen Fischen und der ansvestiten-Machismo der Hair Metaller wurde zu einem parfümierten Stück Musikgeschichte.
Henning Richter