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Def Leppard: Millionenschweres Puzzlespiel – HYSTERIA

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Def Leppard: Millionenschweres Puzzlespiel – HYSTERIA

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Am 3. August 1987 erschien HYSTERIA, das vierte und mit bis heute über 30 Millionen verkauften Einheiten erfolgreichste Studioalbum der britischen Hardrock-Band Def Leppard. Zum runden Jubiläum legte die Band damals eine remasterte 30th Anniversary Edition in diversen Formaten nach. Wir sprangen zu diesem Anlass mit Gitarrist Phil Collen in die Zeitmaschine, um die Entstehungsgeschichte eines der teuersten und aufwendigsten Alben der Rockgeschichte Revue passieren zu lassen.

Es ist verrückt, surreal, magisch. Die lange Zeit ist so schnell vergangen“, so der redselige Brite zu Beginn des Interviews. „Ich kann mich noch gut an all die Details erinnern. Wie wir zusammen in einem Raum saßen und die Songs schrieben, wie wir in Holland im Wisseloord-Studio waren und an die verschiedenen Versionen der Stücke.“ Dass HYSTERIA zu einem der größten Alben aller Zeiten wurde, war indes kein Produkt des Zufalls, sondern die logische Folge eines dreijährigen Produktionsprozesses, wo nichts dem Zufall überlassen wurde. Nach dem Erfolgsgeheimnis gefragt, ist sich Collen sicher: „Es sind die Songs! Ich habe darüber erst mit Robert DeLeo von den Stone Temple Pilots geredet. Wir kamen überein, dass die Stücke noch heute der Wahnsinn sind. Wir haben damals extrem viel Mühe in die Aufnahmen investiert und unser Produzent Robert John ‚Mutt‘ Lange insistierte immer wieder darauf, dass wir sie noch besser machen. Es war keine Option für uns, gewöhnlich, standardisiert oder normal zu sein. Die Tracks sollten unsterblich werden. Daher haben wir immer noch weiter an den Lyrics, Melodien und Gegenmelodien, Grooves, Drums, Loops und der Performance gefeilt, bis alles stark genug war.“ Geschrieben wurden die Tracks von der Band und ihrem Produzenten Lange in einem Einfamilienhaus am Stadtrand von Dublin, das man als Headquarter mietete, um das vor allem in den USA verdiente Geld nicht an den englischen Fiskus abführen zu müssen.

Hardrock-Version von „Thriller“

Ursprünglich eher von der New Wave Of British Heavy Metal beeinflusst, fanden Def Leppard mit HYSTERIA endgültig ihren eigenen Sound. Von klassischem Heavy Metal war kaum noch etwas übrig, stattdessen klang die Band nach einem Hybrid aus Hardrock und massentauglichem Pop-Rock. Doch kein Wunder, schließlich hatte Produzent Lange den Leitgedanken ausgerufen, eine Hardrock-Version von Michael Jacksons THRILLER zu produzieren. Ein Album also, auf dem ausnahmslos jeder Song ein Hit war. „Auf den ersten drei Platten haben wir noch versucht, unseren eigenen Sound zu finden“, erklärt Phil Collen. „Auf HIGH N‘ DRY waren wir noch stark von AC/DC beeinflusst. PYROMANIA klang dann schon eigenständiger, aber erst HYSTERIA hatte diesen Sound, den man von keiner Band zuvor ge­­hört hatte. Es klang endgültig nach Def Leppard. Natürlich waren wir auch darauf nicht frei von Einflüssen. Ich höre zum Beispiel deutliche Inspirationen von Queen. Aber es klang dennoch einzigartig. Und danach strebt doch eigentlich jeder Künstler. Bei Prince war es PURPLE RAIN, das ihn definiert hat, bei AC/DC BACK IN BLACK und bei uns eben HYSTERIA. Seitdem sind wir die Dinge an­­ders angegangen und haben auf andere Weise Songs geschrieben, da wir nicht mehr versucht haben, andere Bands zu kopieren, sondern unseren eigenen Weg zu gehen.“ Einen riesigen Einfluss hatte dabei laut Collen Produzent Mutt Lange, den er unverblümt als „Genie“ bezeichnet. „Er half uns so sehr. Wir haben extrem viel von ihm gelernt“, lobt er den Wahlbriten, der seinen Durchbruch mit AC/DCs HIGHWAY TO HELL (1979) hatte. „Ich habe jüngst das nächste Tesla-Album pro­­­­duziert und alles, was ich eingebracht habe, habe ich von Mutt gelernt.“

Produktions-Overkill

Die Arbeit mit Mutt Lange indes verlief nicht von Anfang an glatt, da dieser nach der Vorproduktion aus dem Team ausschied, weil er von diversen anderen Aufträgen zu er­­schöpft war. Die Band sucht hernach erfolglos nach anderen Lösungen. „Die Wahrheit ist, dass Mutt noch ein Album mit The Cars fertig stellen musste, da er sich dazu verpflichtet hatte“, erklärt Phil. „Als er keine Zeit mehr hatte, schauten wir uns nach Al­­ternativen um und holten u.a. Jim Steinman dazu und versuchten es mit verschiedenen Engineers. Aber es fühlte sich alles nicht richtig an. Wir hatten die Songs mit Mutt geschrieben und er hatte die ultimative Idee, wie sie klingen sollen. Am Ende kam er zurück und plötzlich loderte die Flamme wieder.“ Meat-Loaf-Songwriter Steinman, so heißt es, habe versucht, der Band einen rauen, erdigen Sound aufzudrücken, was bei Def Leppard auf keine Gegenliebe stieß.

Stattdessen wollte man mit Liebe zum Detail ein perfektes, glatt poliertes Album machen, das auch produktionstechnisch über Jahre hinweg eine Referenz darstellen sollte. So wurden bei den Drums mittels Fairlight-Programming diverse Schichten an Samples hinzugefügt, der Gesang stark technisch bearbeitet und auch an den Reverse-, Delay- und vor allem Hall-Effekten im Mix nicht gespart. „Es gibt eigentlich kein Element, das nicht extrem viel Zeit beansprucht hat“, grinst Collen. „Auch in Songs, die keine Single werden sollten, wie ›Don‘t Shoot Shotgun‹, haben wir viel Mühe investiert. „Es fühlte sich wie ein großes Puzzle an.“ Insbesondere der für den Gesang betriebene Aufwand sucht seinesgleichen. „Es gibt so un­­glaublich viele Backing Vocals in all den Songs“, bestätigt der Gitarrist. „Letztendlich war es einfach wichtig, für jeden Part das richtige Element zu finden. Dieses Puzzlespiel war viel schwieriger als die eigentliche Performance.

Als ›Love Bites‹ auf Nummer 1 schoss, hatten wir den Song noch nie am Stück zusammen gespielt, nur einzelne Teile. Daher haben wir uns extra zwei Tage in Vancouver getroffen, um zu lernen, es live zu spielen. Bei den Aufnahmen hingegen dreht sich alles um Inspiration.“ Sänger Joe Elliot, der durch eine Mumps-Erkrankung seinerseits noch für eine Verzögerung der Aufnahmen sorgte, hat das Album später als „überproduziert“ bezeichnet. Eine Einschätzung, die Collen nicht teilt. „Ich denke, es ist perfekt so, wie es ist und das beste, das wir je gemacht haben“, betont er. „Es sollte ja überproduziert klingen. Das war die Idee dahinter. Wenn man sich einige Queen-Platten oder SGT. PEPPER‘S LONELY HEARTS CLUB BAND von den Beatles an­­hört, klingen sie auch überproduziert. Aber sie sind eben für die Ewigkeit gemacht, nicht für den Moment wie ein Konzert. Daher halte ich es für angebracht, eine Platte so weit wie nötig auszuproduzieren.“

Drumsound mit NASA-Unterstützung

Zu einem dramatischen Zwischenfall kam es am 31. Dezember 1984 in der Frühphase der Albumentstehung, als Schlagzeuger Rick Allen einen Autounfall hatte. Er war aufgrund erhöhter Geschwindigkeit mit seiner Corvette von der Straße abgekommen und verlor den linken Arm. „Es war am Neujahrstag und Steve Clark (Def-Leppard-Gitarrist, der 1991 verstarb – Anm. d. A.) und ich waren in Paris“, erinnert sich Collen. „Wir bekamen einen Anruf unseres Managers Peter Mensch, der uns mitteilte, dass Ricks Arm abgetrennt wurde. Wir hatten zuerst keine Ahnung, was er meinte. Ich konnte es nicht glauben. Es war schwer, damit umzugehen. Als wir Rick im Krankenhaus besuchten, hatte er schon die Entscheidung getroffen, weiter Drums zu spielen. Auch hier hatte Mutt Lange seine Finger im Spiel, denn er war es, der zu Rick sagte, ‚nur weil du den linken Arm verloren hast, bedeutet das nicht, dass du stattdessen nicht den linken Fuß einsetzen kannst. Es gibt spezielle Pedale und du kannst das lernen.‘ Im Krankenhaus war er schon wieder sehr positiv und aufgeregt. Er meinte, er würde auf jeden Fall weiter spielen. Wir fanden das verrückt, aber er hat uns alle überzeugt, dass er es kann.“ Die Hysterie in den Medien, die der Unfall nach sich zog, inspirierte die Band zum Titel HYSTERIA. In der Folge wurde mit Unterstützung des Herstellers Simmons ein spezielles Drumkit gebaut, das es dem Trommler ermöglichte, Becken-Trigger-Sounds mit einem Fußpedal zu spielen. Für dieses halb elektronische, halb organische Drumkit kam sogar Technik der NASA zum Einsatz. Das änderte nicht nur das Spielgefühl der Band, sondern auch deren Sound. „Ja, aber das Großartige war, dass HYSTERIA unseren Sound so oder so verändert hat“, gibt Collen zu bedenken. „Das Album klang anders als alles, was wir zuvor gemacht hatten oder man bis dato im Radio gehört hatte. Als Rick zurück kam und wir wieder zusammen spielten, klang es wirklich cool. Es war ein größerer Sound und wir hatten mehr Kontrolle über alles.“

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