In der Rubrik „Album des Lebens“ stellen unsere CLASSIC ROCK-Autoren die Platte vor, die ihr Leben für immer verändert hat…
Sommer 1998. Schwüle Augusthitze drückte gegen die Fenster des schwarzen Mazda 323 F, den ich damals mit sieben Jahren immer liebevoll als „Knight-Rider-Auto“ betitelte. Mein Vater schob eine eigens gesampelte CD in den Schlitz, während ich ungeduldig in meinem Kindersitz polterte. Seit die Technik sich so verdammt fortschrittlich entwickelt hatte, war er ganz wild darauf, Super-Kompilationen zusammenzustellen. Er drückte auf „Play“ und einige nette Songs klimperten adrett vor sich hin – namentlich ›29 Palms‹, ›Ain‘t Talking ‘Bout Love‹ und ›Sweet Child O‘ Mine‹.
Obwohl meine musikalische Sozialisierung zuvor nur durch die Klapptür zwischen meinem und dem Kinderzimmer meiner Schwester stattgefunden hatte und ich gezwungenermaßen East 17 und diversen Eurodance-Penetratoren ausgeliefert war, öffnete sich mein kleines Kinderherz sofort und gewährte den Stromgitarren Einlass. Just in diesem Moment geschah etwas Wunderbares und – retrospektiv betrachtet – das wohl wichtigste Ereignis meiner bisherigen Biographie. Die ersten Takte des nächsten Liedes ertönten und ich meinte, ein elektrisierendes Bitzeln am Scheitel zu verspüren. Was zur Hölle war das denn? Als Antwort setzten die Drums ein und ein Mann mit kreischender Stimme begann, etwas zu singen, von dem ich heute weiß, dass es „A rollin‘ rock, electric shock, she gives a lickin‘ that doesn‘t stop, she line ‘em up, push you ‘round, smokin‘ rings going round and round…“ lautete. Über die pädagogische Wertigkeit des Gesungenen soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.
Ich traute meinen Ohren nicht. So etwas Wunderbares hatte ich noch gar niemals erfahren! „Papa, was ist das denn?“, fragte ich völlig von der Rolle. „AC/DC“, antwortete er und veränderte damit den Ablauf meines Lebens. (Das ist nicht übertrieben.) „Äyysiidiisii“, murmelte ich wie besessen vor mich hin. Ab diesem Zeitpunkt setzte ich meiner Schwester BALLBREAKER entgegen. Etwas später, als ich mühsam sechs Euro zusammen gespart hatte, kaufte ich mir POWERAGE beim Müller-Markt in Rosenheim und entdeckte, dass einmal ein Mann namens Bon Scott existiert hatte und dass dieser Mann ein teuflisch sympathischer und einzigartiger Gott war. Beide Alben liefen ca. zwei Jahre lang ohne Unterbrechung, bis ich BACK IN BLACK zu Weihnachten bekam. Bis heute kann keine andere Musik solch derartige Glücksgefühle in mir auslösen wie ein Scott- oder Johnson-Song, wie Angus‘ wildes Gitarrengebretter, wie diese vielleicht beste Rhythmussektion der Rockmusik. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass meine Schwester AC/DC auf den Tod nicht ausstehen kann. Keine Ahnung, wieso.
Text: Jacqueline Floßmann