Dieser Tage ist Marky Ramone, seit 1978 Drummer und quasi Letztüberlebender der Punkursteinmetze RAMONES, mit seiner Show auf Tour durch Europa. Bei seinem Halt in München traf sich Marc Bell aus Brooklyn, wer er früher war, vor dem Auftritt mit CLASSIC ROCK im Backstage-Bereich, um über frühe Helden und geliebte Musik zu sprechen und sich über noch immer aktuelle Rivalen Luft zu machen. Doch zuvor drehte er den Frage-Antwort-Spieß erst Mal um.
Marky: Oh hey, du trägst ein Beach-Boys-Shirt!
CR: Ja, sie waren gestern in der Stadt, spielten im Circus Krone.
Hast du Mike Love interviewt?
Leider nicht. Ihn würde ich wahnsinnig gerne mal treffen.
Er ist absolut sympathisch, ein großartiger Typ. Ich meine, er ist ein Beach Boy. Sie haben die Beatles beeinflusst. Oder sagen wir, sie beeinflussten sich gegenseitig. Sie pflegte eine, nicht unbedingt Rivalität, eher eine coole Kameradschaft.
Und wie fühlt es sich jetzt für dich an, wenn diese großen Beach Boys einen Ramones-Song covern?
Nun klar, es ist ein guter Sommer-Song; „Rockaway Beach“ – Beach – die Beach Boys. Das ergibt also schon mal Sinn. Weißt du, viele Leute covern Songs und dabei spielt es keine Rolle, wer sie sind. Wenn sie ein Stück reizt, dann tun sie das eben. Und die Beach Boys haben es getan. Auf eine andere, ihre Weise. Das ist der Beach-Boys-Style. Niemand ist jemals besser als irgendwer. Jeder hat seinen eigenen Stil.
Marky, welche Alben begleiten dich zur Zeit besonders auf dieser Tour?
Ein Album, das ich wirklich liebe ist THE LONIOUS MONK QUARTET WITH JOHN COLTRANE AT CARNEGIE HALL. Was für eine Jazz-Platte! Wie sie spielen! Niemand kommt da nur annähernd heran. Wenn du mich nach einem Rockalbum fragst: WHO’S NEXT. Und an neuen Künstlern, finde ich die Gallows richtig gut. Die haben starkes Zeug. Ich lege mich nicht auf ein Genre fest. Wenn du das tust, lernst du nichts dazu. Das ist das Problem dieser „Punk-Puristen“. Die wollen ihre kleine Welt nicht verlassen.
Ist es nicht besonders seltsam, dass es auch im Punk solche engstirnigen Leute gibt? Als die Szene geboren wurde, damals in Max’s Kansas City und im CBGB’s, da machten doch alle dieser „Punkbands“ völlig unterschiedliche Musik.
Absolut! Blondie klingen nicht wie die Ramones, die Ramones klingen nicht wie die Heartbreakers, Patti Smith klingt nicht wie die Talking Heads, die wiederum klingen nicht wie Television.
Wie kann man dann überhaupt sagen, was Punkrock ist und was nicht?
Nun, im Zweifelsfall hör’ dir die Ramones an.
Gute Antwort!
Das ist Punk.
Apropos: Es kam da neulich zu einem offenen Schlagabtausch zwischen dir und Johnny Rotten von den Sex Pistols, bei dem er dich ununterbrochen angegriffen hat. Warum ist er so?
Weil er verbittert ist. Ich blieb bei diesem Vorfall lange cool, aber am Ende nicht mehr. Da habe ich ihn erwischt. Alle anderen (neben Marky und John Lydon nahmen auch noch Duff McKagan, Henry Rollins und L7-Sängerin Donita Sparks an der Podiumsdiskussion statt, Anm. d. Red.) haben einen Scheiß gesagt, sie saßen nur da wie die Lämmer. Okay, also musste ich etwas sagen. Es ist doch einfach so, dass sich die Sex Pistols ihr gesamtes Image von Richard Hell abgeschaut hatten und dann von Vivien Westwood frisiert und angezogen wurden. Sie waren wie eine Punk-Boyband. Also sagte ich: „Johnny, wenn Richard und die Ramones nicht gewesen wären, würdest du heute irgendwo Fish and Chips verkaufen.“ Und na ja, es stimmt doch. Als ich dann noch anmerkte, dass Glen Matlock die Hits geschrieben hatte und Sid Vicious der Star wurde, da flippte er aus. „Du Wichser, du Wichser!“ (lacht) Er muss einem ja leid tun. Er war betrunken. Ich war auch kein Engel in der Vergangenheit, aber er ist ein wenig zu weit abgerutscht.
Das ist doch irgendwie schade. Könnte man nicht einfach gut miteinander auskommen nach all den Jahren?
Ja klar, ich habe ihm nichts getan. Ich saß nur da und plötzlich fängt er an nur Scheiße zu labern. Und Glen mag ich sehr, aber eben mehr als die anderen der Sex Pistols.
Hat sich John dir gegenüber schon immer so verhalten?
Nein. Ich glaube, vieles daran ist nur aufgesetzte Effekthascherei. Das mag ja ganz süß gewesen sein, vor vierzig Jahren, aber doch nicht von einem fettleibigen Nielpferd, das von Butter vor Cholesterin trieft. Ich wartete nur darauf, dass er aufstehen und zu mir rüber kommen würde. Dann hätte ich eine Ausrede gehabt. (lacht) Das wäre 1,2,3 gegangen. Und dann hätte er mich vermutlich verklagt. Da waren ja überall Handys und Kameras. Alleine mit ihm in einem leeren Raum, das wäre etwas anderes gewesen… Aber nein, so möchte ich nicht denken, wirklich nicht. Wir sind ja nicht in der Army, wir sind im Musik-Business.