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Lucifer: Die Liebe und der Austernkult

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Lucifer: Die Liebe und der Austernkult

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Lucifer PressshotLucifer. Auf so einen offensichtlichen Namen muss man erst mal kommen. Johanna Sadonis traute sich einfach – und legt an der Seite von Rock’n’Roll-Tausendsassa Nicke Andersson mit ihrer zweiten Platte LUCIFER II eine Heavy-Rock-Offenbarung nach Maß vor. Schon erstaunlich, wozu eine gemeinsame Liebe zu Blue Öyster Cult führen kann.

Sicher könnte man den Fehler begehen und Lucifer vorschnell zu all den verhexten Okkult-Rockern in die Schublade packen, die in den letzten zehn Jahren aus den Totenreichen des Rock’n’Roll in unsere Welt gekrochen sind. Und auch wenn die Band auf LUCIFER II immer noch Berührungspunkte mit modernen Geisterbeschwörern wie Jex Thoth, Blood Ceremony oder auch den Blues Pills aufweist, ist ihre Agenda eine ganz andere. Das liegt schon an der Protagonistin hinter dem gleichermaßen platten wie genialen Bandnamen: Johanna Sadonis, durch und durch vereinnahmt von der Rockmusik der 70er. Viele haben sie noch von der kurzen Existenz des Damenduos The Oath in guter Erinnerung, danach formte sie mit Gaz Jennings (Cathedral) ihre neue Band Lucifer, nahm ein selbstbetiteltes (und ziemlich gutes Album) mit ihm auf – und trennte sich wieder von ihm.

Jetzt folgt mit LUCIFER II der Neuanfang, und das ausgerechnet an der Seite von Nicke Andersson, der sich mit den Hellacopters, Entombed und Imperial State Electric zu einem schwedischen Markenzeichen entwickelt hat. Diese Fluktuation liege allerdings weder an Langeweile noch an allzu schneller Übersättigung, beeilt sich die Sängerin zu versichern. „Ich glaube, das nennt sich ganz einfach Leben“, lacht sie. „Zudem waren das ja zwei ganz unterschiedliche Situationen: Bei The Oath führten persönliche Gründe zur Trennung, was ich furchtbar schade fand, weil wir eigentlich große Pläne hatten.“ Wenn sie ehrlich sein soll, gesteht sie, versteht sie die Trennung von ihrer Kollegin Linnéa Olsson bis heute nicht. „Doch so oder so ist das für mich kein Grund, aufzugeben und die Musik an den Nagel zu hängen“, stellt sie klar. „Es gab so viele Pläne, die einfach abgeblasen wurden, also beschloss ich kurzerhand, einfach eine neue Band zu gründen.“

Die Trennung von Jennings nach nur einem Album sei dann auch einvernehmlich verlaufen. „Ohne das ganze Drama“, wie sie trocken bemerkt. „Gut, auch diese Veränderung war nicht geplant, aber so ist das eben im Leben. Dinge passieren einfach. Und bei Lucifer wie auch bei mir persönlich hat es diesmal zum absolut Besten geführt, das mir jemals passiert ist.“ Im Klartext heißt das: In Nicke Andersson hat Sadonis nicht nur den perfekten Mitstreiter gefunden. Sondern auch eine neue Liebe. Begonnen hat es mit den beiden in Berlin, nach einer Release-Show für Imperial State Electric. „Irgendwann redeten wir nur noch über The Blue Öyster Cult“, erinnert sie sich grinsend. Es gilt festzustellen: Wir haben schon von deutlich schlechteren Grundlagen für eine Beziehung gehört – zumal erst Andersson ihre Band Lucifer zu dem machte, was der Sängerin schon immer vorschwebte. „Ich bin unfassbar stolz auf LUCIFER II“, schwärmt sie. „Dieses Album klingt genau so, wie ich mir meine Musik schon immer vorgestellt habe.“

Das Problem zuvor war eben: Gaz Jennings ist ein fanatischer Doom-Freak, der seine Handschrift natürlich nicht verbergen kann. Geschweige denn sollte! „Das war okay, denn damals passte es perfekt zu mir und Gaz“, betont sie. „Ich bin aber eben mehr aus der Ecke Heavy Rock aus den 70ern, weshalb ich mit Nicke einfach den absoluten Volltreffer gelandet habe.“ Mittlerweile lebt sie mit ihm in Schweden – ein echtes Heavy-Rock-Familienunternehmen also, bei dem niemand das Sagen hat. Egotrips ausgeschlossen. „Für uns fühlt sich Lucifer deswegen auch gar nicht wie Business an“, erzählt Sadonis. „Musik ist unser Leben, wir machen den ganzen Tag sowieso nichts anderes.“ – „Zudem sind wir keine klassische Pärchenband“, schaltet sich jetzt auch Andersson ein, der auf LUCIFER II für Bass, Schlagzeug und die Hälfte der Gitarren gleichzeitig verantwortlich zeichnet. „Mit unserem anderen Gitarristen Robin Tiderbrink gab es schon vor mir einen Mann in der Band.“

Das Epizentrum bilden dennoch er und Sa­­donis. Das funktioniert so gut, dass sich Menschen mit einer Harmonie-Antipathie wahrscheinlich mit Grausen abwenden werden. „Wir könnten nicht stärker auf einer Wellenlänge sein und sind fast immer gleicher Ansicht“, gerät die Sängerin ein wenig ins Schwärmen. „Das gilt natürlich für die Musik, aber eben auch für das Erscheinungsbild und Auftreten einer Band, für Artworks oder überhaupt eine generelle Attitüde.“ Was dabei herauskommt, wenn die beiden ihre rauchenden Köpfe zusammenstecken, ist auf LUCIFER II festgehalten: Ein packendes, von Herzen kommendes Stück harter, düsterer und epischer Rockmusik. Sie machen keinen Hehl aus ihrer Liebe zum Heavy Rock der 70er-Jahre; sie spielen ihn aber keineswegs nur nach, sondern fügen stets ihre eigene Sprache hinzu. „Unsere Arbeitsweise erinnert mich an ein Spiel, das ich früher immer mit meinem kleinen Bruder gespielt habe“, so Sadonis. „Wir nahmen ein Blatt Papier, falteten es zu einer Ziehharmonika und fingen an, Menschen zu malen: Einer den Kopf, dann jemand den Rumpf, dann jemand die Beine und schließlich die Schuhe. Am Ende kam etwas Gemeinsames und dennoch Unerwartetes dabei heraus.“

Unerwartet ist gut. Wer dieses Spiel früher mal spielte, der weiß: Dabei kommen bisweilen grässlich deformierte Kreaturen aus der Hölle heraus. Nicht so bei Lucifer – und das, obwohl es Nicke Andersson sonst gewöhnt ist, allein zu komponieren. „Ich dachte deswegen auch nicht, dass es so einfach werden würde!“, lacht er. „Ich hatte zwar schon immer Interesse da­­ran, mit anderen Leuten zu schreiben, kam aber einfach nie dazu. Deswegen hatte ich keine Ahnung, wie das überhaupt funktionieren sollte. Jetzt kann ich sagen: Ich bin unfassbar fasziniert von den Möglichkeiten, die sich dadurch eröffnen.“ Nach den Arbeiten mit Jennings war es diesmal auch für Sadonis ein präzise messbarer Fortschritt. „Der größte Unterschied ist, dass Gaz kein Sänger ist und seine Musik deswegen nie im Hinblick auf meine Gesangspassagen geschrieben hatte. Ich musste mir“, so die Exil-Berlinerin, „meine eigene Nische erarbeiten, in der ich meine Melodien über seine Riffs legen konnte.“

Andersson, der seit Jahrzehnten nichts anderes tut als knackige und explosive Songs zu schreiben und zu singen, tat diesmal einfach sein Übriges, um Johanna Sadonis zu einer neuen Bestleistung zu motivieren. Wohin das künftig noch führen soll? Niemand weiß es genau. Doch wir sollten uns wünschen, dass die aktuelle Lucifer-Besetzung eine ganze Weile lang stabil bleibt. Und das nicht nur aufgrund der großartigen Musik.

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