Jüngst hat der einstige Gitarrist und Chef von Oasis, der mit seiner neuen Band Noel Gallagher’s High Flying Birds jetzt sein zweites Album seit dem großen Trennungsdrama mit Bruder Liam veröffentlicht, noch behauptet, er würde lieber Benzin direkt aus dem Zapfhahn trinken, als sich ein Interview mit dem vermeintlichen Langweiler Alex Turner von den Arctic Monkeys durchzulesen. An dieser Aussage möge der 47-Jährige gemessen werden, als wir ihn zum Gespräch über die im Übrigen vorzügliche Platte CHASING YESTERDAY im nagelneuen und noch nach frischer Farbe stinkenden „Hotel Zoo“ am Berliner Kudamm treffen.
Bringen wir es gleich hinter uns. Wie geht es mit Oasis weiter?
Gar nicht. Es ist nicht realistisch, dass wir wieder zusammenkommen. Ich denke, das würde nicht funktionieren. Scheint vorbei zu sein.
Dein neues Album heißt CHASING YESTERDAY. Wie oft jammerst du der Vergangenheit hinterher und denkst: „Alter, wo sind nur die Jahre geblieben?“
Gar nicht, das wäre doch blöd. Ich blicke nicht zurück auf meine glorreichen Jahre. Wie stellst du dir das vor? Dass ich am offenen Fenster sitze, traurig rausgucke und denke „Mensch, Britpop, was war das doch für eine tolle Zeit“?
Womöglich.
Mach ich nicht. Schwachsinn.
Eine tolle Zeit war es ja wirklich.
War es auch. Es war fantastisch, keine Frage. Die Jahre, in denen ich mit Oasis quasi die Welt regierte, waren überwältigend und toll, ein gewaltiges Erlebnis. Aber das ist vorbei. Das Album, das ich jetzt rausbringe, ist meiner bescheidenen Meinung nach besser als DEFINITELY MAYBE und besser als (WHAT’S THE STORY) MORNING GLORY.
Ob die Leute, die nicht Noel Gallagher sind, das auch so sehen?
Bestimmt nicht. Ich werde von CHASING YESTERDAY weniger Platten verkaufen, es wird weniger Menschen geben, die dieses Album so lieben werden wie DEFINITELY MAYBE. Die Songs werden auch nicht den gesellschaftlichen Donnerhall auslösen wie ›Don’t Look Back In Anger‹ oder ›Wonderwall‹. Dennoch: Die neue Platte ist besser! Außerdem: Die alten Songs gehen ja nicht weg.
„Apple hat die ganze Welt zerstört und ist schuld daran, dass so etwas wie Jugendkultur gar nicht mehr existiert.“
Das ist wahr. Dennoch: Man wartet schon recht lange auf ein ähnliches kulturelles Erdbeben, wie es der Britpop vor rund 20 Jahren war. Was ist los?
Es sieht tatsächlich so aus, als sei Britpop die letzte große Sache gewesen, auf die alle standen oder zu der alle eine Meinung hatten. Kurz darauf kamen Mobiltelefone und das Internet. Apple hat die ganze Welt zerstört und ist schuld daran, dass so etwas wie Jugendkultur gar nicht mehr existiert.
Als vor drei Jahren dein erstes Soloalbum erschien, hast du gesagt, wie schwer es dir fällt, plötzlich der Frontmann zu sein. Hast du dich an die Rolle gewöhnt?
Geht so. Wahnsinnig wohl fühle ich mich als Rampensau immer noch nicht, aber ich muss wohl ganz gut gewesen sein. Jedenfalls waren die Karten meiner kommenden Tour in zehn Minuten ausverkauft. Ich will einfach meine Songs zu den Leuten bringen. Ob ich jetzt ein guter Frontmann bin oder ob es bessere gibt, darüber denke ich schon lange nicht mehr nach.
Manche Stücke, etwa ›Lock All The Doors‹, klingen ziemlich vertraut und nach Oasis…
Das ist doch normal, oder? Ich habe eine Vollbremsung hingelegt am Ende von Oasis, und danach fuhr ich langsam wieder hoch. Ich schreibe ja auch immer noch so, wie ich damals geschrieben habe. Doch es gibt auch Songs, die sind ewig weit davon entfernt. ›Riverman‹ zum Beispiel.
Da kommt sogar ein Saxofon drin vor.
Ja, unglaublich, oder? Und es hört sich geil an. So etwas machst du aber nur, wenn du Selbstvertrauen hast als Songschreiber und Produzent.