Die rockistische Vollbedienung.
Es gibt Dinge, die man von Slash einfach nicht erwarten darf. Wie eine komplette musikalische Neuorientierung, wildes Experimentieren oder Songs, die nicht im Blues- bzw. Hardrock verwurzelt sind. Dafür ist der Mann mit dem Zylinder zu sehr Relikt der goldenen 80er und der damit verbundenen Mischung aus Punk, Glam und klassischem Rock. Aus diesem Schatten kann und will der 49-Jährige nicht hervortreten, und wer damit nicht klarkommt, soll sich halt die Ergüsse von grünschnäbeligen Pseudo-Junkies aus gutem Hause anhören. Für alle anderen jedoch ist der gebürtige Brite das Original, das Maß aller Dinge und eine zuverlässige Größe. Einer, der sich und seinem Sound treu bleibt, der einen nicht verwirrt oder gar enttäuscht und der dabei nie alt, müde oder gar unglaubwürdig wirkt. Im Gegenteil: Slash ist eine Macht. Und das unterstreicht er mit seinem dritten Alleingang, der nicht weniger als 17 Songs birgt. Sprich: Das Ganze ist im Grunde ein Doppelalbum und bietet Masse wie Klasse – ohne Durchhänger, ohne Füllmaterial, ohne Aussetzer. WORLD ON FIRE ist ein Manifest in Sachen Blues-getränktem Powerrock, das auf starke Gitarren-Riffs, noch stärkere Soli, polternde Drums, knalligen Groove und geballte Dynamik setzt, weder Schnickschnack noch Schnörkel aufweist und etwas von einer unaufhaltsamen Dampfwalze hat. Gleichzeitig – und das ist bemerkenswert – birgt es aber auch Überraschungen. Sei es mit akustischen, schwer psychedelischen Momenten, einer Ballade wie ›Battleground‹, einer Country-Persiflage namens ›The Dissident‹ oder einem Instrumental à la ›Safari Inn‹. Wobei Sänger Myles Kennedy, sonst bei Alter Bridge, eine ebenso gute Figur abgibt wie sein Chef: Der Gesang ist vielseitig und variabel, während die Texte Ecken, Kanten und Humor aufweisen und mit amüsanten Weisheiten aus allen Lebenslagen glänzen. Etwa Selbstfindung, Freiheit und Abenteuer, aber auch leichte Mädels, scharfe Drinks und schwere Maschinen – eben typische Männerthemen. Zudem vergisst Slash nie seine Wurzeln: ›30 Years To Life‹ weist starke Anleihen bei ›Paradise City‹, ›Welcome To The Jungle‹ sowie ›Sweet Child O’Mine‹ auf, und auch in anderen Nummern lassen sich eindeutige Referenzen ausmachen. Nur: Im Gegensatz zu anderen Künstlern und Bands ist das keineswegs peinlich. Mehr noch: Es muss sogar so sein. Einfach, weil es dem Hörer ein gutes, ein vertrautes Gefühl gibt. Und weil es schlichtweg rockt. Fazit: WORLD ON FIRE ist die ultimative Vollbedienung und kommt mit dem besten Albumcover des Jahres.