Während die Progrocker auf den ersten drei Alben ohne Neal Morse sich vor allem emanzipieren und neue Wege beschreiten wollen, besinnen sie sich mit dem Album X zurück auf ihre Anfangstage.
Es scheint, als hätten sie sich die Kritik schlussendlich doch zu Herzen genommen. Nachdem die letzten Spock’s Beard-Alben, insbesondere FEEL EUPHORIA und auch OCTANE, von den Fans alles andere als mit Jubelstürmen empfangen worden sind, wollen es die Progrock-Giganten nun wieder wissen und haben mit X eine Platte vorgelegt, die durchaus mit Klassikern wie THE LIGHT mithalten kann, da sie weniger auf US-Rock, sondern wieder verstärkt auf Prog-Elemente setzt. Verspielte, lange Stücke mit herrlich spannenden Arrangements laden den Hörer auf eine intensive Klangreise ein – insbesondere ›From The Darkness‹ und ›Jaws Of Heaven‹ sind Paradebeispiele dafür, warum Spock’s Beard auch heute noch genauso viel Ankennung verdient haben wie während der Neal Morse-Ära.
Das Lob für die aktuelle Scheibe freut die Band, andererseits ärgern sich die Musiker auch ein wenig darüber, dass ihren Kompositionen in den vergangenen Jahren nicht so viel Respekt entgegengebracht wurde, wie die Songs ihrer Meinung nach verdienen. „Ich weiß auch nicht, woran das genau liegt“, so Basser Dave Meros, „denn obwohl Neal Spock’s Beard gegründet hat, es ist doch nicht so, dass die Band nur aus einer Person bestanden hat. Doch anscheinend verbinden die Fans mit dem Namen vorwiegend Songs aus dieser Phase – somit war alles, das danach kam, für sie wohl schon ein Stilbruch. Auch wenn ich gar keinen so großen Unterschied zu früher sehe.“
Zumal X keinem bestimmten Schema folgt: Neben den beiden Herzstücken des Albums gibt es auch ein abgedrehtes Instrumental namens ›Kamikaze‹, das einen starken Kontrast zu relativ eingängigen Hymnen wie dem Opener ›Edge Of The In-Between‹ steht. Kurz: Spock’s Beard schränken sich nicht ein, alles ist erlaubt, so lange jedes Band-Mitglied seinen Segen dazu gibt. Und Streitigkeiten innerhalb der Gruppe gibt es ohnehin kaum – die Musiker wohnen inzwischen weit voneinander entfernt, Keyboarder Ryo Okumoto ist in Japan ansässig, während Nick D’ Virgilio in Kanada lebt. Allein schon aufgrund der Zeitverschiebung dürfte ein persönliches Gespräch zwischen allen Beteiligten ein Ding der Unmöglichkeit sein. Komponieren ist dagegen weniger problematisch, wie Menos erläutert: „Jeder arbeitet allein zu Hause, nimmt seine Ideen auf und schickt die Datei an die anderen weiter. Daraus entwickeln sich dann nach und nach die Stücke. Klingt kompliziert, funktioniert bei uns aber erstaunlich gut.“
Dennoch: Der persönliche Kontakt zu den Kollegen fehlt dem Bassisten. Und so freut er sich, dass es nun endlich wieder auf die Bühne geht. „Das ist wirklich bitter nötig. Denn so viel Spaß es auch macht, neue Tracks zu komponieren und gemeinsam an Song-Strukturen zu werkeln – das Live-Spielen gibt mir persönlich sogar noch mehr.“