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Kid Rock – Schluss mit Wut

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Kid Rock – Schluss mit Wut

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Kid_Rock 2010 @ Clay Patrick McBride 1Der Rüpel-Rocker ist leiser geworden: Während seines Besuchs in München traut sich der 39-Jährige nicht aufs Oktoberfest, sein aktuelles Album kommt ohne „Parental Advisory“-Sticker aus, und sein Traum besteht aus ruhigen Abenden auf der Veranda. Ist Kid Rocks ungezügeltes Temperament etwa völlig verschwunden?

Das Wichigste zum Einstieg: „Ist Kid Rock ein langweiliger, alter Sack geworden?“ Eine Frage, die bei dem Mann aus De­troit, Michigan, nur ein kehliges Lachen auslöst. „Kann schon sein“, setzt er mit süffisantem Grinsen hinterher. Schließ­lich, so betont er bei einer Zigarre und schwarzem Kaffee in der Präsidentensuite des Münchner Hotels Vier Jahreszeiten, habe er schon alles erlebt: Höhen wie Tiefen, Hochzeiten wie Scheidungen, Stadien wie kleine Clubs. Da könne ihm nach 23 Jahren Showbusiness keiner mehr etwas vormachen. Und er habe sich schlichtweg die Hörner abgestoßen – in allen Bereichen seines irdischen Seins. „Klar, gibt es nichts Schöneres, als eine attraktive Frau mit großen Titten. Aber was ich nicht ertragen kann, ist das permanente Drama, das damit einhergeht. Also all die Ladies, die vielleicht super-sexy sind, aber deren Leben ein einziges Chaos ist. Da bin ich lieber allein, sitze mit einem kühlen Bier vor dem Fernseher und gehe ab und zu in einen guten Stripclub.“

Das meint er genau so, wie er es sagt: Die Zeiten, in denen er psychopathischen Blondinen wie Pamela Anderson hinterhergelaufen ist und sich mit noch psychotischeren Kontrahenten wie Tommy Lee geprügelt hat, sind endgültig passé. „Ich habe diesen ganzen Mist aus meinem Leben verbannt – und möchte ihn auch nie, nie mehr haben. Einfach, weil es nicht cool ist, ständig Ärger zu haben – das ist einfach nur nervig, schlecht für die Gesundheit und lenkt von den wirklich wichtigen Dingen ab. In meinem Fall von der Musik. Ich wette mit dir, dass vor drei Jahren jeder wusste, dass ich mit Pam zusammen war – aber nur die wenigsten hätten dir auch nur einen einzigen Songtitel von mir nennen können. Dafür bin ich nicht Musiker geworden, und insofern habe ich da die letzten Jahre bewusst gegengesteuert. Einfach, weil es höchste Zeit war.“

Eine Entscheidung, die er nicht bereut. Heute sei sein Leben kein bisschen langweiliger, sondern nur ruhiger, und er habe halt gelernt, sich etwas zurückzuhalten, und nicht gleich auszuflippen. „Denn jedes Mal, wenn ich das tue, werde ich von einem blöden Arschloch verklagt, das ein bisschen Geld aus der Situation herausschlagen will. So läuft das amerikanische Rechtsprinzip: Als Promi bist du eine wandelnde Brieftasche, aus der sich jeder bedienen kann. Stell dir vor: Der letzte Typ, mit dem ich mich geprügelt habe, hat mich verklagt, weil er danach nicht mehr in der Lage war, seine ehelichen Pflichten zu erfüllen – also im Bett. Was ich einerseits großartig fand, aber andererseits hat mich das ein paar tausend Dollar für Anwälte gekostet. Darauf habe ich keinen Bock mehr, und deshalb gehe ich auch nicht zum Oktoberfest. Einfach, weil ich weiß, dass mich da irgendwer blöd von der Seite anquatschen wird – und ich dann zuschlage. Ich meine, selbst hier an der Hotelbar hätte ich mich gestern Abend fast geprügelt – weil ein besoffener Ami etwas gegen mein Baseball-Team gesagt hat. Es gibt einfach zu viele Idioten auf diesem Planeten. Und deshalb bleibe ich lieber daheim. Dort habe ich meine Ruhe.“

Was sich auch auf BORN FREE niederschägt, seinem neuen, achten Album. Darauf ist von Rap und Metal nicht mehr viel zu spüren, von großkotzigen Selbstzelebrierungen wie ›Cowboy‹ oder ›You Never Met A Motherfucker Quite Like Me‹ noch weniger und von Kraftausdrücken erst recht nichts. „Ich muss nicht mehr die ganze Zeit fluchen oder sagen, wie toll ich bin, und dass ich deine Mutter gefickt habe – das habe ich alles schon getan.“ Weshalb er nun mehr in die Tiefe geht, vom trauten Heim und der großen Liebe (die er immer noch sucht) singt, aber auch an Busenkumpel Joe C erinnert (ist vor zehn Jahren verstorben) und ein wenig schmeichelhaftes Bild seiner Heimat Detroit kreiert: Eben als abgefuckte Ruine, die dringend den Arsch hochkriegen muss. „Die Industrie liegt brach, die Leute sind arbeitslos, haben keine Perspektive, und keiner kümmert sich um sie. Es ist wirklich schlimm.“

Und obwohl er das Geld hätte, um die große Flatter Richtung Hollywood oder Upstate New York zu machen, bleibt er in Detroit. Einfach, weil er sich als Sohn der Arbeiterklasse, als einer von ihnen sieht, sich zum Sprachrohr seiner „people“ aufgeschwungen hat und so viel Engagement zeigt, wie er nur kann. Mit Benefizkonzerten, Charity-Aktionen und einem permanenten Hochhalten der lokalen Fahne. Etwa mit seiner Modelinie „Made In Detroit“, deren Motive auch von einer städtischen Werbeagentur stammen könnten. Oder dem neuesten Coup: Seiner eigenen Biersorte „Bad Ass“, die nur in Michigan erhältlich ist, 400 Arbeitsplätze geschaffen hat, und sich als Offensive gegen „die verfickten belgischen Monopolisten“ versteht, die sein geliebtes Budweiser geschluckt haben. „Das Bier ist für den europäischen Geschmack viel zu leicht. Also: Was wollt ihr damit? Warum müsst ihr uns das wegnehmen bzw. die Produktion in ein anderes Land verlagern? Scheiße Mann, ich will amerikanische Plörre, die hier gebraut worden ist. Und genau die produziere ich jetzt selbst. Ich erwarte nicht, dass das hier in Deutschland einer trinkt. Und ich habe auch nicht vor, damit zu expandieren. Ich möchte ein Produkt für mich, meine Kumpels und die Leute bei mir zu Hause.“

Interessanterweise, und das kommentiert er mit einem zufriedenen Grinsen, scheint BORN FREE einen ähnlichen lokalpatriotischen Ansatz zu verfolgen. Zumindest was die Musik betrifft. Denn unter Federführung von Rick Rubin schwelgt der ehemalige Rapper in einem Sound, der Southern Rock mit Blues, Folk, Country und Gospel kombiniert, mit Gästen wie Bob Seger und Sheryl Crow aufwartet, und fast schon spektakulär unspektakulär anmutet. „Es ist ein uramerikanisches Album. Genau das war es, was Rick und ich vorhatten. Und wir haben es binnen von zwei Wochen mit einer Reihe von erstklassigen Musikern eingespielt, wie Chad Smith von den Red Hot Chili Peppers oder Benmont Tench von den Heartbreakers. Also Cracks, die wissen, was sie tun. Darauf bin ich stolz. Das Einzige, was mich ärgert, ist dieser Mist auf Wikipedia. Da steht, ich hätte mit James Hetfield, Lenny Kravitz und Eminem gearbeitet. Das stimmt einfach nicht. Keine Ahnung, wer das verzapft hat, aber es nervt, in jedem Interview darauf angesprochen zu werden. Und wenn ich den Typen erwische, könnte mir die Faust ausrutschen. Egal, was ich gerade erzählt habe. Denn Lügen zu verbreiten, ist einfach Blödsinn.“ Ganz so ruhig ist er also doch (noch) nicht geworden…

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