Nordisches Morgengrauen-Moll im Breitwandformat.
Als Frontmann der gegenwärtig auf Eis liegenden Madrugada etablierte Sivert Høyem einen gleichsam melancholischen wie dynamischen Stil. Mit eigenwilligen Alben wie INDUSTRIAL SILENCE (’99), THE NIGHTLY DISEASE (’01) und THE DEEP END (’05) erspielte sich die Truppe aus Stokmarknes Akzeptanz weit über Norwegens Grenzen hinaus. Vor allem Høyems zwischen Scott Walker und Mark Lanegan angesiedelter Bariton sorgten für Wiedererkennungswert. In etwa gleichem stilistischen Spannungsfeld entwickelt sich auch die Solokarriere des Vokalisten, Gitarristen, Komponisten und Texters. Mit ENDLESS LOVE, dem fünften Werk im Alleingang, bündelt Høyem sämtliche Kreativhöhenflüge der vergangenen 15 Jahre und liefert einmal mehr gewohnt Anspruchsvolles: Sakrale Kirchenorgel und kraftvoller Duane-Eddy-Gitarren-Twang lenken im hypnotischen Titelsong gleich zu Auftakt in die richtige Richtung. ›Enigma Machine‹, jenes Chiffriergerät, mit der das deutsche Militär im Zweiten Weltkrieg wichtige Nachrichten verschlüsselte, dient als Metapher für einen runden Ohrwurm, der David Bowies STATION TO STA-TION zumindest als Textzeile zitiert. Als empathische Gospel-Hymne empfiehlt sich ›Hand-some Savior‹. Nancy Sinatras Arrangement von ›Bang Bang (My Baby Shot Me Down)‹ stand offensichtlich Pate für die introspektive Zeitlupenode ›Little Angel‹. Sein Vintage-Gretsch-Modell an die Grenzen der Belastbarkeit bringt Mr. Høyem im heftig auf Rockabilly getrimmten ›Wat Tyler‹, einer Hommage an gleichnamigen englischen Bauernführer des 14. Jahrhunderts. „I was alone… I was a rolling sto-ne…“, schallt es im verhallten Blues-Stil zu tiefen Klavierakkorden im Intro von ›Görlitzer Park‹ – und der geneigte Hörer fragt sich, was in Berlins Grünfläche im Ortsteil Kreuzberg wohl passiert sein mag, dass der 38 Jahre alte Norweger gleich ein derart gigantisches Breitwandopus mit schleppendem Rhythmus danach benennt. Besinnlich gestaltet sich der Ausklang mit einem weiteren Sakralopus, ›At Our Evening Table‹, sowie der filigranen Akustikballade ›Ride On Sister‹. Schlicht perfekt!