Man nennt ihn „den Doktor“. Wir lassen uns gerne mit der musikalischen Auswahl des Vibravoid-Frontmannes verarzten.
Mit dem Psychedelic Rock nimmt es „der Doktor“ ernst. Das Mastermind der Düsseldorfer Formation Vibravoid waltet seit über 30 Jahren im Untergrund und hält sich schön fern vom Mainstream und allem, was auch nur leicht danach riecht. „Es gibt sehr viele Lieder und Hits, bei denen ich aus Scham weinen möchte.“ Für Augenwischerei, seichte Trends und seelenlose Schablonenmusik ist des Doktors Zeit eindeutig zu schade, deswegen verwundert es nicht weiter, dass im Soundtrack seines Lebens nicht nur eine obskure Psych-Perle zu finden ist.
DIE ERSTE MUSIK, AN DIE ICH MICH ERINNERN KANN
Von meinen Eltern hatte ich als Kind in den frühen 70er-Jahren ein paar Singles bekommen, um damit zu spielen. Die Beschäftigung mit einem alten Braun „Schneewittchen Sarg“ gehörte dabei zu meinen Favoriten. Diese Musik hat sich in mein Gehirn eingebrannt – es waren Platten von Can, Jimi Hendrix, The Seeds, The Byrds, The Move und The Rolling Stones. Diese Platten habe ich tatsächlich immer noch.
DER ERSTE SONG, DEN ICH JE LIVE GESPIELT HABE
In der Schule hatten wir im Musikunterricht ein Projekt und sollten selber einen Song schreiben.
Das hatte so gut funktioniert, dass wir am Ende als Schülerband sogar noch einen Auftritt bekamen. An die Titel kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich spielte Bass, obwohl ich wirklich keine Ahnung von dem Instrument hatte.
DER BESTE LIVE-ACT
Anfang der 90er-Jahre hatte ich mehrere Spiritualized-Konzerte gesehen, zu dieser Zeit war die Band unschlagbar. Die Kombination von Lautstärke, Lärm und Licht war einfach grandios. Ich habe in den Jahren danach immer wieder die unterschiedlichsten Leute kennengelernt, die auch bei den Shows waren, und es existierte dadurch immer sofort eine Gesprächsbasis. Eine Leistung, die ich bis heute sehr beeindruckend finde.
DAS BESTE ALBUM ALLER ZEITEN
Eine schwere Frage, also mache ich es mir leicht. THE PIPER AT THE GATES OF DAWN von Syd Barretts Pink Floyd ist ein absolut visionäres Album und kaum zu schlagen. 1967 war offensichtlich ein gutes Jahr für Musik und hat etliche Meisterwerke hervorgebracht.
DER SÄNGER
Jim Morrison, vielleicht nicht der beste Sänger, aber als Interpret seiner Texte eine Kategorie für sich. Jim Morrison ist ein gutes Beispiel dafür, dass Glaubwürdigkeit und Authentizität wichtiger als technisches Können sind. Ähnlich ist es bei Janis Joplin, je älter ich werde, umso größer wird mein Zugang zu ihrer gesanglichen Leistung. Es ist schade, dass heute kaum noch solche Sänger zu finden sind.
DER GITARRENHELD
Hier muss ich noch einmal Syd Barrett nennen. Sein irreguläres Timing und der innovative Drang zur Erneuerung gehen leider oft im Schatten seiner Mythen unter. Syds gezielter Einsatz von Effekten, Klängen und Versatzstücken ist nach wie vor einmalig in der Musikgeschichte, denn hier entstand für einen kurzen Augenblick wirklich etwas Neues, das bis heute nachwirkt.
DER SONGWRITER
Es gibt etliche Songwriter, die man als Interpret gar nicht kennt und die im Hintergrund die Hits für andere Künstler schreiben. Zum Beispiel enthält der Katalog von Bands wie The Monkees unglaublich viele gute Lieder. Jedoch sehe ich die Beatles in der Kombination von Interpret, Musiker und Komponist ganz weit vorne – es gibt wohl kaum eine andere Band, deren Einfluss bis heute so groß ist. Pete Townshend ist ebenfalls fantastisch. Mitte der 60er-Jahre herrlich naive Lieder über Masturbation zu schreiben, dafür braucht man echt Eier!
DIE UNTERBEWERTETSTE BAND ALLER ZEITEN
Freeborne aus Boston, ganz einfach. Trotz des heutigen Booms des Psychedelic-Rock-Revivals eine Band, die kaum jemand kennt, die aber höchstwahrscheinlich 1967 mit PEAK IMPRESSIONS das ultimative Psychedelic-Album produziert hat.
DIE BESTE PLATTE, DIE ICH JE GEMACHT HABE
Ich finde alle unsere Alben super, denke aber, dass unser Debütalbum 2001 – was zu der Zeit damals keiner ahnen konnte – die Trends der letzten 20 Jahre beeindruckend vorwegnimmt. Das Album klingt heute sogar noch zeitgemäßer und frischer als damals.
DIE SCHLECHTESTE PLATTE, DIE ICH JE GEMACHT HABE
Zum Glück ist es nur eine Single: ›Doris Delay‹. Bei der Produktion ist irgendwie alles schiefgegangen. Eigentlich ein guter Song, aber die Single ist aus meiner Sicht wirklich Schrott und ich bin froh, dass ich das Lied für das Album noch einmal neu aufnehmen konnte.
MEIN GUILTY PLEASURE
Nach dem großartigen LOVE von The Cult hatte ich mir damals den Nachfolger ELECTRIC gekauft.
Die Platte war einfach nur schlecht. Alles klang wie eine billige Kopie von ›Start Me Up‹ und irgendwie steht dieses Album auch für den unsäglichen Siegeszug des Heavy Metal, der seit dieser Zeit jegliche Art von Musik kreativfrei assimiliert. Ich fühle mich für den Kauf immer noch schuldig und das einzige Vergnügen war es, diese Platte sofort wieder zu verkaufen.
DIE HYMNE
›Colour Your Mind‹ von der australischen Band Tyrnaround ist eine Glanzleistung des Neo Psychedelic Rock der 80er-Jahre. Kaum eine andere Band hat es zu dieser Zeit geschafft, das Gefühl eines LSD-Trips so zeitlos und kompakt in einen Song zu packen. Gerade das Zusammenspiel von Orgel und Gitarre im Solopart ist komplette Ekstase.
MEIN SAMSTAGABEND/PARTYSONG
›Jumpin’ Jack Flash‹ in der Version von Ananda Shankar ist ein Anheizer allerbester Güte. Wer hier keinen Bewegungsdrang verspürt, sollte sich sofort begraben lassen!
DER SONG, DER MICH ZUM WEINEN BRINGT
Es gibt sehr viele Lieder und Hits bei denen ich aus Scham weinen möchte, weil sie so unglaublich schlecht sind und mich an der Menschheit zweifeln lassen.
MEIN „IN STIMMUNG“-SONG
Ich vermute, dass Alkohol als Katalysator wohl eine größere Rolle spielt als ein Song an sich. Das wirklich Wichtige dafür ist der Rhythmus eines Songs. Alles, wozu Frauen lasziv tanzen können, scheint diese Aufgabe bei mir hervorragend zu erfüllen! ›In A Gadda Da Vida‹ von Iron Butterfly finde ich aus dem Grund sehr stimulierend.
DER SONG, DER BEI MEINER BEERDIGUNG LAUFEN SOLL
›Full Cycle‹ von Ill Wind – das ist wieder so eine obskure Psychedelic-Platte aus den 60er-Jahren. Gesang und Text schwanken zwischen philosophischen Anleihen und abstrakter Lautmalerei, erzeugen aber diese „ins Licht gehen“-Stimmung. Als ich den Song das erste Mal hörte, dachte ich sofort, dass das die Nummer ist, bei der der Sarg herabgelassen wird. Ein wirklich tolles Lied mit einer einzigartigen Stimmung.